Die Warte des Tempels
Monatsschrift für offenes Christentum

Ausgabe 176/3 - März 2020

 

 

Das Streben nach dem Reiche Gottes - Erich Bergmann

Die goldene Regel - Jörg Klingbeil

Wie geht Versöhnung? - Bastian Berbner

Das erste Gebäude der Templer in Palästina - Dr. Jakob Eisler

Wo ehrliche Menschen zu Hause sind - Jörg Klingbeil

Das Streben nach dem Reiche Gottes

In memoriam Erich Bergmann

Erich BergmannAm 14. März 1980 starb Erich Bergmann - fast 25 Jahre lang Mit­arbeiter unseres Ältestenkreises - in seinem 70. Lebensjahr. Sei­ne Mitarbeit hatte in jenen Jahren begonnen, in denen sich der damalige Gebietsleiter Jon Hoffmann alleine um die geistig-reli­giösen Belange der TGD kümmerte, Gottesdienste in Stuttgart und der weiteren Umgebung hielt, Darstellungen, Konfirmatio­nen, Trauungen und Begräbnisse vornahm, die Redaktion der »Warte« innehatte und daneben nach geeigneten Räumlichkei­ten für Templer-Veranstaltungen suchte. Zu seiner Entlastung wurde daher Anfang 1956 Erich Bergmann für den Ältestendienst der TGD eingestellt - er hatte Theologie studiert, lehnte aber eine Tätigkeit als Pfarrer der evangelischen Kirche ab, weil er den dogmatischen Zwang und die überalterte Glaubenslehre nicht mit seiner liberalen Glaubensauffassung in Einklang bringen konnte und damit in Gewissenskonflikte geraten wäre. Freiberuflich tätig nahm er jahrelang wirtschaftliche Entbehrungen für sich und sei­ne Familie in Kauf, um keinem Glaubenszwang unterworfen zu sein, sondern sich in christlicher Freiheit bewegen und vor seinem Gewissen bestehen zu kön­nen. In seinem Streben nach Wahrhaftigkeit beschäftigte er sich nicht nur mit der christlichen Theologie, sondern auch mit den Grundlagen der anderen Weltreligionen Islam, Buddhismus und Judentum. Er war ein glänzender Redner und nutzte dieses Talent als Vortragsredner in Volkshochschulen und freichristlichen Gemeinschaften; in der TGD übernahm er Gottesdiens­te und Vorträge im Frauenkreis und vor jüngeren Mitgliedern, besuchte Templergruppen au­ßerhalb Stuttgarts - vom Bodensee bis hin nach Köln und Hamburg - und verfasste zahlreiche Aufsätze über religiöse und philosophische Themen in der »Warte«. So hat er maßgeblich am Aufbau der Tempelgemeinde Stuttgart mitgewirkt und sich um die Tempelgesellschaft verdient gemacht; hierfür schulden wir ihm großen Dank. Mit seinen Gedanken zum zentralen Thema der Tempelgesellschaft, dem Streben nach dem Gottesreich und seiner Gerechtigkeit, die 1977 in der »Warte« abgedruckt wurden, wollen wir an ihn erinnern.

Zu den Worten Jesu in der Bergpredigt gehört auch die Aufforderung, über alles andere Streben im Leben das Streben nach dem Reiche Gottes zu stellen. Was aber heißt das? Von allem, wonach ich streben kann, habe ich feste Vorstellungen, so vom Streben nach Besitz, Gewinn, Erfolg, Geltung, Anerkennung, Freundschaft, Liebe und Freude. Mein Streben gilt jeweils einzelnen Zielen im Leben, zuerst in der Schule, dann in Lehre oder Studium, dann im Beruf, im Begründen der Familie, im Schaffen von Lebensgrundlagen für die Familie und sich selbst. In diesem Streben kann es immer wieder Misserfolge geben, unerwartete Störungen, Hindernisse, Schwierigkeiten von außen her, die dann zu erneuten Strebungen nötigen.

Was bedeutet es, wenn Jesus allen diesen Strebungen das Streben nach einem höheren Ziel, dem Reiche Gottes, überordnet? Er macht uns deutlich, dass es über allen zeitlichen Ziel­setzungen ein höheres Ziel gibt, dass es über den zeitlichen, leiblichen und erdbedingten Sicherungen, denen zumeist alles Streben gilt, das Streben nach einer Sicherung der Seele gibt und geben sollte.

Der Sicherung der Seele entspricht ein Leben, das dem gerecht wird, der es schuf. Dem schöpferischen Ursprung des Lebens gerecht zu werden, bedeutet für Jesus, sein Leben mit allen Kräften und Fähigkeiten als Eigentum des Schöpfers anzusehen und zu behandeln, wie es im Gleichnis von den »anvertrauten Pfunden« zum Ausdruck kommt. Demnach bin ich nicht nur verantwortlich für alles, was ich tue, ich muss auch daran denken, dass ich zur Verantwor­tung gezogen werde, dass ich Rechenschaft schuldig bin für meine Verwendung des mir an­vertrauten Vermächtnisses, dass die Bitte »Dein Wille geschehe« zugleich ein Bekenntnis ist, dem göttlichen Willen zu entsprechen. Wenn ich mich frage, was Gott von mir will, was ich ihm schuldig bin, dann finde ich die Antwort nicht in festen von Menschen formulierten Sätzen, sondern in der Vertiefung in mich selbst, in der täglichen Überprüfung meines Lebens.

Ich brauche bei solcher Überprüfung nur zu fragen, womit habe ich zum Glück und zur Freu­de, zur Erleichterung im Schweren, zur Förderung im Lebenskampf meiner Mitmenschen bei­getragen, wie weit habe ich für Harmonie in und mit der Umwelt gesorgt. Dann erkenne ich auch, wie weit mich meine selbstsüchtigen Strebungen daran gehindert haben oder erst gar nicht daran denken ließen, mein Leben einem höheren Streben dienen zu lassen. Ich würde bei der ernstgenommenen Überprüfung eines Lebenstages die Erfahrung machen, dass in dem Maße, in dem ich Glück bereite, auch in mir Glück entsteht, als ich Harmonie bereite, ich selbst harmonisch werde, als ich Herzenswärme, Güte und Liebe erweise, diese auch selbst erfahre.

Ich erkenne es als ein ungeschriebenes Lebensgesetz und damit als zur Schöpfung gehöri­gen Willen Gottes, dass die Quelle des inneren Glückes die Liebe ist, die ich meiner Umwelt erweise und durch meine Umwelt erfahre. Dieses ungeschriebene Gesetz zeigt sich bereits im Säugling wirksam und setzt sich dann durch alle Lebensstufen fort. Je mehr Liebe der Säug­ling empfängt, desto ausgeglichener erfolgen seine Entwicklung und sein Reifen zum Men­schen, der glücklich sein und glücklich machen kann. Je weniger ein Säugling und Kleinkind die gottgewollte Liebe durch seine Umwelt erfahren hat, desto größer ist die Gefahr, dass er die Fähigkeit und die Bereitschaft, Liebe zu erweisen und sich für die Umwelt verantwortlich zu fühlen und zu verhalten, nicht erworben hat.

Wenn ich mich in die mannigfachen Formen der Liebe vertiefe, dann komme ich zu dem Glauben, dass es der schöpferischen Weisheit entsprach, den Menschen nicht nur die fünf Sinne und den Verstand gegeben zu haben, sondern auch die Anlage, ein Gewissen und die Fähigkeit der Liebe zu entwickeln. Doch unterliegt diese Anlage der Gefahr, verkümmern oder gar erstickt werden zu können, wenn der Lebensbeginn und die weitere Lebensentwicklung gar zu großen Härten ausgesetzt wurden. Wenn sich im Leben der Menschen Lieblosigkeit, Feindseligkeit, Brutalität und unbegreifliche Grausamkeit zeigen, ist das ein Ausdruck der Här­te und Lieblosigkeit, die die erfahren haben, die sie ausüben.

Deshalb sollte die menschliche Gesellschaft sich der Richtigkeit und Wichtigkeit der tiefen Lebensgesetze bewusst werden, deren Erfüllung Segen, deren Nichterfüllung Verderben bringt. Vertiefe ich mich in die echte Mutter-, Vater-, Gatten-, Kinder- und Freundesliebe, dann sehe ich sie als Ausdruck der schöpfungsgemäßen Anlage, die durch selbsterfahrene Liebe zur vollen Entfaltung kam, die sich auch dort noch durchsetzt, wo sie erhebliche Unterdrü­ckung erfuhr.

Wer solche Liebe in sich spürt, sieht, dass sie aus dem Innern kommt und nicht auf einer Überlegung beruht, auch nicht durch moralische Appelle erzeugt werden kann. Es wäre höchst wirkungslos und widerspruchsvoll, wenn lieblose Erzieher jemanden zur Liebe erziehen wollten. Der Liebende, sei es als Mutter, Vater, Gatte, Kind, Bruder, Schwester, Freund, em­pfindet es als Geschenk und als tiefes Glück, lieben zu können, den zu haben, den er lieben kann, von dem er geliebt wird.

Wenn wir uns in die Liebe vertiefen, die Jesus gemeint hat, dann geht sie weit über die Liebe hinaus, die wir als die natürliche und anerschaffene ansehen. Wenn wir im Sinne Jesu fragen, was es heißt, nach dem Reiche Gottes zu streben, dann bedeutet Liebe weit mehr, weil sie alle Menschen umschließt, nicht nur die Angehörigen und Freunde, die man vom ei­genen Innern her lieb hat, zu denen man sich mit der besonderen Kraft der Zuneigung hinge­zogen fühlt.

Jesus legt uns den Unbekannten in seiner schweren Not ans Herz im Gleichnis vom »Barm­herzigen Samariter«, er spricht von den »Geringsten unter seinen Brüdern«, den Kranken, Hungernden, Nackten, Obdachlosen, Gefangenen, also von denen, die in wirklicher Not sind und sich selbst überlassen sind. Was für eine unübersehbare Fülle von Möglichkeiten zu der von Jesus gemeinten Liebe bietet sich gerade heute dar! Und wenn wir uns die Menschen ansehen und uns fragen, wer alles zu den »Geringsten seiner Brüder« im Sinne Jesu zu zählen ist, darf nicht die Sympathie oder Auslegung dieser Bezeichnung entscheiden.

Dann müssen wir gerade die miteinbeziehen, die »uns fluchen und verfolgen«. Dann müs­sen wir das empfangene Böse mit Gutem erwidern, dann müssen wir denen wohltun, die uns wehtun, dann sollen wir lieber weiteres Unrecht erdulden, als uns mit Formen zur Wehr zu setzen, um derentwillen wir uns vor Gott schämen müssen.

Das heißt nicht, dass wir Unrecht ohne Gegenwehr annehmen müssen, nur darf diese Ge­genwehr nicht neues Unrecht sein. Meine Reaktionen auf erfahrenes Unrecht sollten im Sinne Jesu so sein, dass sie den, der mir Unrecht tat, seelisch bessern, dass sie dazu beitragen, dass auch er etwas davon spürt, dass es ein Streben nach dem Reiche Gottes gibt. Feindes­liebe, wie sie Jesus fordert, heißt also, dass es zum Streben nach dem Reiche Gottes gehört, sich auch vor Gott für den Feind verantwortlich zu fühlen.

Eingehender und nachhaltiger können wir nicht erfahren, was zum Streben nach dem Rei­che Gottes gehört, als aus dem, was Jesus selbst als Inhalt dieses Strebens, als Voraus­setzung für das Reich Gottes ansieht, dazu gehört die unerschöpfliche Bereitschaft zur Geduld, zum Verzeihen, zum Nichtrichten, zur Friedfertigkeit, Sanftmut, Barmherzigkeit und jeder Form zur Selbstlosigkeit. Wer das zu verwirklichen willens und fähig wäre, würde hier schon auf Erden echtes inneres Glück erleben und erfahren, wie sich in seinem Innern das Reich Gottes auswirkt.

Wie bedeutungslos wird alles das, was nach dem irdischen Ende an die Stelle des Evangli­ums Jesu gesetzt wurde, die ganze Erlösungslehre und die Vergöttlichung Jesu in der Dreifal­tigkeitslehre, die machtvolle Entfaltung von Priesterkult und Sakramenten. Wenn nur im Zen­trum der christlichen Religion ohne alle Glaubenssätze die von uns betrachtete Forderung zum Streben nach dem Reiche Gottes stünde und alle, die als Geistliche und Laien dem Christen­tum gehören zu wollen vorgeben, dieser Forderung Jesu entsprächen, so könnte das Christen­tum eine höchst segnungsvolle und überzeugende Religion sein.

Alle anderen Bestrebungen, die sonst so stark das Leben der Menschen bestimmen und oft auch geradezu versklaven, die so viel Egoismus, Hass, Neid und Streit auslösen, die damit zugleich Quelle vieler moderner Erkrankungen werden, würden einen ganz neuen Charakter bekommen.

Das Streben nach beruflichem Erfolg vollzöge sich dann mit Verständnis für den Mitstreben­den, redlich, wahrhaftig, hilfsbereit, ohne verzehrenden Eifer, ohne krankmachende Hast, Angst, Sorge und ohne Ärger. Denn immer steht über allem Streben auch das Wort Jesu: »Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele.«

Mit dem Worte vom Streben nach dem Reiche Gottes ist auch die tiefe Sinngebung ausge­sprochen, die von dem höheren, bleibenden Lebensziel spricht, wonach das Leben mit allen seinen Strebungen zugleich ein Reifen der Seele zu dem vom Schöpfer vorgesehenen höheren Zweck ist. Ohne diesen selbst ergründen zu wollen, ist die irdische Verwirklichung der tiefen Forderung Jesu volle Lebenserfüllung und wahres Leben zugleich.

Erich Bergmann in »Warte des Tempels« 7-8/1977

BIBELWORTE - KURZ BETRACHTET

Die goldene Regel

(Lukas 6,31)

»Genau so, wie ihr behandelt werden wollt, behandelt auch die anderen«. Diese »goldene Regel« steht im Lukas-Evangelium in der sog. Feldpredigt, dem Pendant zur Bergpredigt im Matthäus-Evangelium, das sie ebenfalls enthält (Mt 7,12).

Bei Lukas steht sie in jenem Abschnitt, der der Feindesliebe gewidmet ist. Sie gab es wohl schon vor Jesus und für sich betrachtet unterscheidet sie sich auch nicht wesentlich von den ethischen Grundregeln anderer Religionen und philosophischer Denkschulen. Schon Konfuzi­us (551 - 479 v. Chr.) äußerte sich ähnlich (»Was du selbst nicht wünschst, das tue auch nicht anderen Menschen an.«). Auch im damaligen Judentum war diese Faustformel für ein verträg­liches zwischenmenschliches Verhalten weit verbreitet. In der Tat eine einfache Regel, die - wenn man sie nur beherzigen würde - viele Gesetze entbehrlich machen könnte. Denn da braucht einer, der Gutes tun will, nicht lange suchen, sondern er müsste sich nur selbst fragen: Wenn ich in der Lage wie der andere wäre, welche Hilfe würde ich mir wünschen? Das Sich-Hineinversetzen in die Lage Betroffener würde so zum Kriterium für moralisches Handeln.

Dennoch kann auch die eingängige »goldene Regel« zu Missverständnissen Anlass geben: Zum einen ist zu betonen, dass Jesus die Regel positiv formuliert und nicht negativ wie bei Konfuzius oder in dem heute noch bekannten Merkspruch »Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg‘ auch keinem andern zu!« Die negative Formulierung spricht nur von dem, was man lassen soll.

Das reicht Jesus offenkundig nicht, denn er will, dass man dem Nächsten aktiv hilft und ihn nicht nur in Ruhe lässt. Denn auch durch Untätigkeit kann man schuldig werden. Zum andern setzt die Regel in Jesu Version voraus, dass der, der sie anwendet, auch für sich das Gute will, sie verlangt also eine gewisse Selbstprüfung, ob man wirklich und nicht nur scheinbar das Gute will; eigene unmoralische Wünsche können jedenfalls kein Maßstab dafür sein.

Schließlich redet Jesus hier auch nicht dem berechnenden Eigennutz das Wort, wonach man Gutes tun soll, damit einem selbst ebenfalls Gutes widerfährt, aus der guten Tat also ein eigener Vorteil erwächst. Wir sollten daher helfen, auch wenn uns keiner hilft. Wir sollten die Wahrheit sagen, auch wenn andere uns belügen. Und wir sollten Gutes tun, ohne mit einer Belohnung zu rechnen. Denn - so sagt es Jesus in den folgenden Versen ausdrücklich - es ist kein Kunststück, nur die Freunde zu lieben und die Feinde zu hassen. Das täten ja die »Sün­der« auch.

Jörg Klingbeil

Wie geht Versöhnung?

Geschichten gegen den Hass: Bastian Berbner war verzweifelt über die wachsende Gewalt und die Spaltung der Gesellschaft. Er suchte Menschen, die es geschafft haben, ihre Vorurtei­le abzulegen.

Publik-Forum: Herr Berbner, Sie sind durch Deutschland und die Welt gereist, um »Geschich­ten gegen den Hass« zu sammeln. Wie haben Sie die denn gefunden?

Bastian Berbner: Die erste Geschichte fiel mir ganz von allein zu. Die NDR-Redaktion, für die ich damals arbeitete, schickte mich auf die Schwäbische Alb, wo Tausende von Flüchtlingen in einer Kaserne untergebracht waren. Im Internet kursierten die übelsten Gerüchte - etwa dass die Flüchtlinge Frauen belästigt, Ziegen gestohlen und geschächtet hätten. Dort traf ich auf Gerold Huber, einen Bauern, dessen Hof direkt neben dem Gelände lag.

Wie hat der Bauer auf die Flüchtlinge reagiert?

Berbner: Gerold Huber war zunächst gegen die Unterbringung der Flüchtlinge und hat persön­lich beim Landratsamt dagegen protestiert. Die Vorstellung, dass Tausende traumatisierte Menschen aus islamischen Ländern direkt neben seinem Hof leben sollten, machte ihm Angst. Der Bauer fürchtete um die Sicherheit seiner drei Kinder. Als die Flüchtlinge dann aber da waren, kamen manche auf seinen Hof, baten um Milch, und er gab sie ihnen. Er sah, dass auch viele Kinder auf dem Kasernengelände spielten. Seine Tochter ging dann häufig hinüber und half den Kindern bei den Hausaufgaben, auch seine Frau engagierte sich. Je mehr von den neuen Nachbarn Gerold Huber kennenlernte, umso netter fand er sie. Am Ende setzte er beim Landratsamt durch, dass die Flüchtlinge einen Shuttlebus ins Dorf bekamen...

Bastian Berbner, das Gespräch führte Eva-Maria Lerch

 

Dieser Artikel ist für die Internetausgabe der »Warte« leider nicht freigegeben. Lesen Sie den vollständigen Artikel in der gedruckten Ausgabe der »Warte« oder in »Publik-Forum«, kri­tisch - christlich - unabhängig, Oberursel, Ausgabe 24/2019, Seite 50.

Das erste Gebäude der Templer in Palästina

Zum 150-jährigen Bestehen des Gemeindehauses in Haifa

Vor ca. 150 Jahren, am 23. September 1869, wurde der Grundstein für das erste »Muster­haus« - das Gemeindehaus - der Templersiedlung Haifa gelegt. Die Pläne für das Gebäude hatte ein dänischer Architekt aus Beirut, Peter Julius Loytved, auf eigene Rechnung ausgear­beitet, der sogar auf eigene Kosten nach Haifa gekommen war, um den Bauplatz am Fuße des Karmels zu inspizieren, den er als gut geeignet befand.

Zum Bau wurde flach behauener Kalkstein vom Karmelberg verwandt. Am Bau selbst wirk­ten neben Philipp Reinhardt, Karl Heuschele und Jakob Gottlob Wilhelm zahlreiche arabische Hilfskräfte mit. Gemeindehaus Haifa, gegründet 1869Einen Monat nach der Grundsteinle­gung kamen aus Amerika die Familien Schumacher und Oldorf an. Jakob Schumacher wurde sofort mit baulichen Aufgaben, u.a. auch am Gemeindehaus, betraut.

Schon am 25. März 1870 konnte der Betsaal des Gemeindehauses unter großer Beteiligung einge­weiht werden. Jakob Schumacher hatte am Türsturz des neuen Gebäudes die Inschrift einmeißeln lassen: »1869 - Vergesse ich Dein, Jerusalem, so werde meiner Rechten vergessen«. Im November 1870 konnte schließlich das zweistöckige Gemeindehaus fertiggestellt werden. Das obere Stockwerk und der optisch überhöhte Eingangsbereich waren von Zinnen bekrönt, an letzte­rem ein Aufbau zum Hissen einer Fahne angebracht. Zur Straßenseite hin befand sich auf dem Dach ein hölzernes Glockentürmchen, dessen Glocke an Wochentagen um 12 Uhr mit­tags läutete.

Ende des Jahres 1875 traf aus dem Kaukasus Friedrich Lange mit Familie in Haifa ein. Lan­ge wurde gebeten, als Lehrer der neuen Schule zu wirken. Die Familie konnte eine Wohnung im ersten Stock des Gemeindehauses beziehen. Die beiden ebenerdig gelegenen großen Räume dienten als Schul- und Versammlungsräume. Während der folgenden Jahre wurden auf dem Grundstück weitere kleinere Bauten errichtet: eine Küche, ein Stall, ein kleines Häus­chen für den Wächter sowie ein Abort. Deutsche Schule, 9.2.1915Diese Ne­benbauten waren nötig geworden, da mit steigender Einwohnerzahl auch die Anzahl der Schüler deutlich angestiegen war. In den 1880er Jahren wurde das ursprüngliche Flachdach durch einen Dachstuhl mit Ziegeln ersetzt, da sich wie so oft das flache Dach als undicht erwiesen hatte. Gleichzeitig wurde auch der ehemals hölzerne durch einen steinernen Glockenturm ersetzt.

Im Lauf der Zeit war die Einwohnerzahl der Kolo­nie so stark angewachsen, dass der Versamm­lungsraum im Erdgeschoß für die Festlichkeiten zu klein wurde. Aus diesem Grund wurde einige Jahre lang anlässlich des Erntedankfests im Garten eine große mit Laub gedeckte Hütte errichtet, die nach dem Fest wieder abgebrochen werden musste.

Im Jahre 1890 beschloss man dann, das Gemeindehaus zu erweitern. An das bestehende Gebäude wurde an der Ostseite ein Erweiterungsbau angefügt. Der neu entstandene Saal maß eine Länge von 21 Metern bei einer Breite von 11 Metern. Für den jeweiligen Redner wurde an der Ostseite eine apsisartige Nische errichtet. 21 Jahre nach der Grundsteinlegung des ursprünglichen Gebäudes wurde am 28. September 1890 nun der neue Gemeindesaal eingeweiht. Über dem Türsturz des neuen Teils ließ Schumacher die folgenden Worte an­bringen: »Bis hieher hat der Herr geholfen - 1890«.

Die untere Etage des Gemeindehauses diente noch bis ins Jahr 1902 als Schule, die in diesem Jahr in einen Neubau verlegt wurde. Im alten Gemeindesaal blieben die Kleinkinder­schule, die Lehrerwohnung und der Betsaal. Viele Jahre hindurch erfüllte das Gemeindehaus die Vorstellung und den Wunsch seiner Gründer, als Muster zu gelten für die nachfolgenden Generationen.

Jakob Eisler

Wo ehrliche Menschen zu Hause sind

Internationales Experiment über die Ehrlichkeit von Findern

Eine internationale Studie von Wirtschaftspsychologen aus den USA und der Schweiz hat Erstaunliches zu Tage gefördert. Die Wissenschaftler wollten herausfinden, wo die Menschen besonders ehrlich sind und wo nicht. Zu diesem Zweck haben sie in 40 Ländern und 355 Städten weltweit über 17.000 Portemonnaies mit Absicht »verloren«. Die Geldbörsen waren gleich ausgestattet und enthielten jeweils einen Schlüssel, drei Visitenkarten des vermeint­lichen Besitzers und einen Einkaufszettel in der lokalen Sprache; damit sollte dem Finder der Eindruck vermittelt werden, dass der Eigentümer aus der jeweiligen Stadt stammt. Nur in der Hälfte der Geldbeutel war tatsächlich Geld enthalten: 13,45 Dollar in lokaler Währung und entsprechend der örtlichen Kaufkraft umgerechnet. Das Experiment lief so ab: Ein Mitarbeiter der Forscher lieferte die Geldbörse in einer Poststelle, einer Bank, in einem Museum, in einem Hotel oder bei der Polizei ab und behauptete, er habe das Portemonnaie gefunden, aber keine Zeit, den Eigentümer ausfindig zu machen.

Das Ergebnis hat die Forscher überrascht, wie ein Ko-Autor der Studie der Presse verriet: Entgegen den Erwartungen wurden die Geldbeutel mit Bargeld eher zurückgegeben als die ohne Geld. Offenbar sind die Menschen doch altruistischer als gedacht und wollen kein schlechtes Gewissen haben, wurde nun vermutet. Im Durchschnitt aller Länder wurden 40 Prozent der Portemonnaies den Besitzern gemeldet; bei den Geldbörsen mit Bargeld stieg die Quote auf über 50 Prozent an. Zuvor hatte man zudem angenommen, dass die Rückgabe umso seltener erfolgen würde, je höher der in den Portemonnaies enthaltene Geldbetrag ist. In einigen ausgewählten Ländern testeten die Forscher deshalb noch, wie es sich mit der Ehrlichkeit bei größeren Beträgen verhält. Erstaunlicherweise wuchs die Rückgabequote sogar an, wenn mehr Geld im Geldbeutel steckte (umgerechnet 95 Dollar). Im Ländervergleich erwiesen sich die Polen dabei als besonders ehrlich: Sie versuchten in vier von fünf Fällen, den angeblichen Verlierer ausfindig zu machen. Anders dagegen zum Beispiel in China und Marokko - dort könne man sein Portemonnaie abschreiben, meinten die Wissenschaftler: Wenn Geld enthalten war, lag die Rückgabequote dort nur bei 20 Prozent. Interessanterweise wurden auch die Geldbörsen mit einem Schlüssel eher zurückgegeben als solche ohne, obwohl der Finder mit dem Schlüssel gar nichts anfangen konnte. Am besten solle man seinen Geldbeutel (wenn überhaupt) in der Schweiz, in den skandinavischen Ländern oder in den Niederlanden verlieren, »empfahlen« die Forscher. Deutschland kam übrigens auf den neunten Platz bei der Rückgabequote der Geldbörsen ohne Geld und auf den elften Rang bei den Portemonnaies mit Geld. Innerhalb Deutschlands wurden acht Großstädte getestet: Stuttgart und Berlin schnitten am schlechtesten ab, Köln und Hamburg am besten.

Über Ländergrenzen hinweg zeigte die Studie einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Rückgabequote und dem Pro-Kopf-Einkommen: In armen Ländern wurden die Portemon­naies seltener zurückgegeben, wobei die Vereinigten Staaten mit einer knapp unterdurch­schnittlichen Rückgabequote aus dem Rahmen fielen. In Ländern, die nach den Erkenntnissen von Transparency International als besonders korrupt gelten, wurden die Geldbeutel ebenfalls seltener herausgegeben. Kleine Unterschiede gab es auch zwischen Männern und Frauen: Wenn Geld im Geldbeutel war, war die Rückgabequote bei Frauen etwas höher. Die Forscher erklärten das damit, dass Frauen erfahrungsgemäß eher ein sozial erwünschtes Verhalten an den Tag legen als Männer.

Jörg Klingbeil

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