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Von menschlichem und göttlichem Richten - Brigitte Hoffmann
Die Urgroßmutter König Davids - Peter Lange
»Von allen Seiten umgibst du mich« - Wolfram Zoller
Dürfen wir, was wir können? - Plastik überall - Hanna Thaler
»Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes?« - Harald Ruff
Du aber, was richtest du deinen Bruder? Oder du, was verachtest du deinen Bruder? Wir werden alle vor den Richterstuhl Gottes gestellt werden. Denn es steht geschrieben (Jesaja 45,23): »So wahr ich lebe, spricht der Herr, mir sollen sich alle Knie beugen und alle Zungen sollen Gott bekennen.« So wird nun jeder von uns für sich selbst Gott Rechenschaft geben.
Darum lasst uns nicht mehr einer den anderen richten; sondern richtet vielmehr darauf euren Sinn, dass niemand seinem Bruder einen Anstoß oder Ärgernis bereite.
Ich weiß und bin gewiss in dem Herrn Jesus, dass nichts unrein ist an sich selbst; nur für den, der es für unrein hält, ist es unrein. Wenn aber dein Bruder wegen deiner Speise betrübt wird, so handelst du nicht mehr nach der Liebe. Bringe nicht durch deine Speise den ins Verderben, für den Christus gestorben ist. (Römer 14, 10-15)
Schon die doppelte Eingangsfrage »Was richtest du deinen Bruder? Was verachtest du deinen Bruder?« macht deutlich, dass es nicht um ein Richten im wörtlichen Sinn, mit Urteil und Strafe, geht. Das war Sache des Staates. Es geht um die innere Einstellung der Gemeindeglieder.
Der Hintergrund ist der Streit um das jüdische Gesetz in den frühen Christengemeinden. Auf der einen Seite standen die Judenchristen, die sich zwar zu Jesus als dem Messias bekannten, aber sich weiterhin an die Thora gebunden fühlten; auf der anderen Paulus selbst und die Heidenchristen, denen das Gesetz nichts mehr bedeutete. Sie sahen die anderen als »schwach im Glauben«, weil sie noch nicht das volle Vertrauen in die Gnade Gottes hatten. Und umgekehrt sahen viele Judenchristen in ihnen Sünder, weil sie gegen die Thora verstießen: Paulus war also in diesem Streit eindeutig Partei. Er hatte darum gekämpft, dass den Heidenchristen nicht das jüdische Gesetz aufgezwungen werden sollte. Nur auf dieser Basis war der große Erfolg seiner Mission überhaupt möglich geworden. Trotzdem ermahnt er nun beide Seiten: »Lasst uns nicht einander richten«. Das ist eine bemerkenswerte Haltung für einen Mann, der sein Leben lang für seine neue Wahrheit gekämpft hat: das bedingungslose Vertrauen in die Gnade Gottes. Trotzdem ist es ihm wichtiger, dass alle Mitglieder einer Gemeinde in Liebe und Achtung miteinander umgehen, wichtiger als dass sie bis in alle Einzelheiten seiner Wahrheit folgen.
Das erklärt auch den letzten Satz dieses Abschnitts, der mich auf den ersten Blick irritiert hat: »...richtet vielmehr darauf euren Sinn, dass niemand seinem Bruder Anstoß oder Ärgernis gebe«. Als allgemeine Anweisung für alle Lebenslagen taugt das nicht. Es ist schlicht unmöglich und würde ein Maß an Anpassung erfordern, das auch Feigheit bedeuten kann, Anpassung auch an Schlechtes. Es gibt reichlich Beispiele dafür, dass Paulus selbst durchaus bereit war, Anstoß zu erregen, wenn es ihm notwendig erschien. Aber hier spricht er zu einer Gemeinde, zu Menschen, die freiwillig Jesus-Anhänger geworden sind - für die sollte Liebe, Rücksicht auf einander, oberstes Gebot sein. Im vorausgehenden Abschnitt heißt es »Den Schwachen im Glauben nehmt an.«
Geht uns das alles noch etwas an? Schwäche im Glauben wird man heute kaum noch jemandem vorwerfen in einer Gesellschaft, in der viele ganz Verschiedenes und viele gar nichts glauben und in der eher das Zweifeln zum guten Ton gehört. Aber die innere Haltung, gegen die das Pauluswort sich richtet, den bewussten oder oft auch unbewussten Hochmut, mit dem wir uns für besser oder klüger halten, die gibt es noch genauso wie damals. Denn da die vielen verschiedenen Menschen viele unterschiedliche Gaben haben, wird es immer Situationen geben, in denen der eine stark und der andere schwach ist. Die häufigste ist vielleicht, dass wir den andern, zumindest auf einem Gebiet, für dümmer oder ungeschickter halten als uns selbst - zu Recht oder zu Unrecht. Wir würden ihm das nicht ins Gesicht sagen und ihn auch nicht lächerlich machen. Aber »nehmt ihn an« bedeutet mehr: lass ihn deine Überlegenheit nicht spüren, hilf ihm zu verstehen, hab Geduld mit ihm - und bleib dir bewusst, dass er vielleicht, sicher, andere Gaben hat, mit denen er dir überlegen ist.
Nur ein Beispiel: wir freien Christen neigen dazu, die streng Bibeltreuen für ein bisschen beschränkt oder stur zu halten. Ich denke, eigentlich zu Recht. Sie nehmen die Bibel am einigen Stellen wörtlich und merken nicht, in wie viele Widersprüche sie sich verstricken würden, wenn sie das konsequent täten. Was wir leicht übersehen: viele von ihnen leben ihren Glauben engagierter als wir. Im Dritten Reich waren es Zeugen Jehovas, die am konsequentesten dem Unrechtsstaat den Gehorsam verweigerten, und pietistische Pfarrer, die unter Lebensgefahr für sich und ihre Familien ein Netz aufbauten, um Juden zu verstecken, ohne Essensmarken durchzufüttern, weiterzureichen, wenn die Situation zu brenzlig wurde; im Vertrauen nicht darauf, dass Gott sie vor dem Schlimmsten bewahren werde, sondern darauf, dass sie, auch wenn es zum Schlimmsten kommt, in ihm geborgen sein werden. Auch ein unreflektierter, vielleicht unlogischer Glaube kann eine große Kraft sein. Wir sollten ihn nicht verachten, auch wenn wir ihn nicht teilen können. Das ist vielleicht nicht ganz das, was Paulus gemeint hat, aber es steckt mit in seinem »lasst uns nicht mehr einer den andern richten«.
Dieses menschliche Richten wird den ganzen Text hindurch in Beziehung gesetzt zum göttlichen Richten. Wir lesen unwillkürlich mit: »Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet« - obwohl das so deutlich gar nicht da steht. Eindeutig ist: Gott wird richten, nach dem Tod jedes Einzelnen oder am Ende der Zeit (auch Paulus lebte in der Naherwartung). Das Jesaja-Wort, das Paulus quasi als Erklärung zitiert, ist keine; es beschwört nur die umfassende Macht der Gottesherrschaft. Offenbar war das Bild von Gott als dem Richter für Paulus und seine jüdischen und judenchristlichen Zeitgenossen so selbstverständlich, dass es keines näheren Hinweises bedurfte.
Uns ist das nicht mehr selbstverständlich. Jesus hat uns gelehrt, in Gott den Vater zu sehen, und wir haben das gerne angenommen. Dabei gibt es auch bei Jesus selbst zahlreiche Hinweise auf Strafe und Gericht. Ich erinnere nur an das Gleichnis vom Unkraut im Weizen. Wir sollen das Unkraut wachsen lassen, damit wir nicht den Weizen mit ausreißen. Aber am Ende wird aussortiert und das Unkraut ins Feuer geworfen. Der Schwerpunkt liegt zwar bei Jesus fast nie auf dem Gericht, aber die Vorstellung davon ist immer wieder da.
Wie passt das zur umfassenden Liebe Gottes? Zur Verheißung der Vergebung auch und gerade für die Sünder? Es passt eigentlich nicht.
Und ich denke, der Widerspruch liegt schon in uns selbst. Wir wünschen uns Vergebung für alle, und zugleich haben wir auch ein Bedürfnis nach Gerechtigkeit. Und wir glauben zu wissen, dass beides zusammen nicht geht. Aber unser Wissen und unser Verstehen sind eng begrenzt durch unsere menschlichen Denkkategorien. Gott ist immer größer, als wir ihn denken können. Nikolaus von Kues sagt, Gott sei die »coincidentia oppositorum«, das Zusammenfallen der Gegensätze.
Deshalb ist es eigentlich müßig, dass wir spekulieren, was nach unserem Tod - oder gar am Ende der Zeit - sein wird. Wir können es nicht wissen und nicht verstehen.
Trotzdem machen wir uns Bilder, Bilder von Gott und Bilder vom Jenseits - Bilder, die uns das Unbegreifliche anschaulich machen. Und die moderne Geschichts- und Vorgeschichtsforschung zeigt, dass die Menschen das getan haben, seit sie überhaupt Menschen geworden sind, vom Neandertaler angefangen. So sind in Tausenden von Jahren viele Bilder entstanden. Keines von ihnen zeigt die Wahrheit. Sie widersprechen sich gegenseitig, viele davon sind auch in sich widersprüchlich. Trotzdem sind sie wichtig. Denn nach diesen Bildern formen wir - oder formt sich -, bewusst oder unbewusst, unser Leben. Etwas von dieser Widersprüchlichkeit steckt auch in unserem kurzen Text, obwohl es so selbstverständlich ein göttliches Gericht voraussetzt. Im ersten Teil heißt es: »Wir werden alle vor den Richterstuhl Gottes gestellt werden«. Davor bin ich zurückgezuckt. So kann und will ich mir Gott nicht vorstellen. Im zweiten Teil: »so wird nun jeder für sich selbst Gott Rechenschaft geben«. Das habe ich spontan akzeptiert.
Die überzeugendste und zugleich tröstliche Vorstellung sind für mich die Berichte über Nahtoderfahrungen. Die meisten - nicht alle - ähneln sich in drei Punkten: dem Sog durch einen dunklen Tunnel, dem Eingehen in ein überwältigendes Licht, in Wärme und Geborgenheit, und dem Rückblick auf das eigene Leben, aber nicht im Sinne eines Gerichts, sondern in dem des Erkennens und Verstehens: Rechenschaft, aber eingebunden in ein Angenommensein.
Als ich vor Jahren bei R. Moody zum erstenmal solche Berichte las, empfand ich das fast wie eine Offenbarung, jedenfalls als etwas, was mich glücklich machte, weil es so genau meiner eigenen Jenseitshoffnung entsprach. Ich weiß, dass auch das kein Beweis ist, den kann es nicht geben. Aber es kann ein Hinweis sein, der uns Vertrauen gibt. Ebenso wie das wunderschöne Pauluswort am Ende des Hohelieds der Liebe (1. Kor. 13, Vers. 12): »Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin«.
Brigitte Hoffmann, Ausschnitt aus einer Predigt in der Tempelgemeinde Stuttgart
Meinen Ausführungen über des jüngste Buch des Jesus-Forschers John Dominic Crossan in den »Warte«-Heften Februar/März/April möchte ich noch einen kleinen Nachtrag anhängen. Crossan weist - wie ich geschrieben habe - in seinem Buch »The Power of Parable« (Die Kraft der Gleichnisse) darauf hin, dass Jesus von Nazareth in seinem öffentlichen Auftreten vielfach Gebrauch von »provozierenden« Gleichnissen gemacht hat, um bei seinen Zuhörern ein Nach- oder sogar Umdenken über innere Einstellungen zu bewirken. Diese Art von Gleichnis-Rede ist nicht erst in den Evangelien, sondern schon im Alten Testament zu finden, Crossan erwähnt vor allem die Geschichten von Ruth, Jona und Hiob. Auch dort wird sozusagen »gegen den Strich gebürstet«. Ich möchte mich hier auf den Inhalt des kurzen Buches Ruth beschränken und auf seine überraschende Aussage hinweisen.
Zunächst eine Zusammenfassung des wesentlichen Inhalts dieses Buches: Während einer Hungersnot hat die Bethlehemiterin Noomi ihre Heimat Juda verlassen und Zuflucht im ostjordanischen Nachbarland gefunden. Dort sterben ihr Mann und die beiden erwachsenen Söhne. Die Frau bleibt schutzlos mit den beiden moabitischen Schwiegertöchtern zurück. In dieser Lage entschließt sie sich zur Heimkehr nach Bethlehem. Die jüngere der beiden Schwiegertöchter, Ruth, schließt sich ihr an: »Wo du hingehst, da will auch ich hingehen. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott.«
Ihre Treue wird belohnt: Sie findet in dem Bethlehemiter Boas einen tüchtigen, gutherzigen Mann und eine neue Heimat. Und sie bekommt einen Sohn. Rein blutsmäßig hat dieses Kind mit Noomi gar nichts zu tun; aber nach israelitischem Recht ist es dazu bestimmt, das Geschlecht von Noomis verstorbenem Mann fortzuführen. So kommt es dazu, dass der Sohn formell von Noomi adoptiert wird. Das Buch Ruth endet mit einer Genealogie, die Ruths Ehemann Boas und ihren Sohn mit einschließt. Das Ende des Stammbaums und letztes Glied in der Geschlechterkette bildet David, der große König von Juda.
Nun ist es wichtig zu wissen, in welcher Zeit diese Geschichte spielt. Die Forschung geht davon aus, dass es die nachexilische Zeit war, in der die Juden von den inzwischen herrschenden Persern die Erlaubnis zur Rückkehr in ihre Heimat erhalten hatten. Man kann wohl annehmen, dass die Rückkehrer aus der Verbannung auch den einen oder anderen Fremden mitgebracht hatten. Deshalb kam es zu einer Verstärkung der gesetzlichen Bestimmungen, wer als Jude galt. Die Volksführer Esra und Nehemia entwarfen eine neue Verfassung, die das Gesetz der Thora verstärken und den Juden ein neues Selbstverständnis geben sollte (Chronistisches Geschichtswerk).
Unter diesen Bestimmungen waren Ehen mit nichtjüdischen Frauen streng untersagt. »In dieser Zeit las man aus dem Buch des Mose vor den Ohren des Volkes und fand darin geschrieben, dass die Ammoniter und Moabiter niemals in die Gemeinde Gottes kommen dürften. Als sie nun dies Gesetz hörten, schieden sie als fremdes Volk aus Israel aus« (Neh 13,1-3). Die Moabiterin Ruth war eine solche Nichtjüdin. Auch wenn sie sich zum Gott der Juden bekannt hatte, war sie von ihrer Herkunft her gesehen eine Fremde. Umso bemerkenswerter ist deshalb die Aufnahme ihres Sohnes in die Geschlechterfolge Davids. Ungenannt wurde sie so zur Urgroßmutter des großen Königs der Juden. Ganz Israel konnte nun lesen, dass in Davids Adern auch moabitisches Blut geflossen war.
Eine wahrhaft provozierende Geschichte - für John Dominic Crossan ein »herausforderndes Gleichnis« - ein Zeugnis dafür, dass Gottes Güte allen gilt und er Menschen aus allen Völkern zu seinem Volk herbeiruft. Crossans Fazit ist, dass ein allgemeines Gesetz auch durch individuelle Gegebenheiten außer Kraft gesetzt werden kann.
Vielleicht wundern sich manche unserer Leser, dass wir, die wir alle Sakramente ablehnen, in der Zeitschrift der Tempelgesellschaft ausgerechnet eine Taufansprache bringen. Aber 1. geht diese Ansprache von ihrem Inhalt her uns Templer genauso an wie alle Christen, und 2. ist sie ein Beispiel für etwas, das auch wir vertreten: dass ein überkommenes religiöses Ritual eine tiefere Bedeutung haben kann - auch wenn man seinen Sakramentscharakter ablehnt.
Pfarrer Oberstudienrat i.R. Wolfram Zoller hielt am 6. Oktober 2012 in der Christuskirche zu Korntal eine Taufe. Das Taufkind aus dem Familienkreis heißt Felix. Der Ansprache, die im Folgenden dokumentiert wird, liegt Psalm 139, 5 zugrunde: »Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir«.
Taufe - da steht das gottgesegnete Wunder des Lebens im Mittelpunkt. Ein neuer Mensch hat das Licht der Welt erblickt und so ein neues, von aller Kultur noch unbelecktes Kind fasziniert uns in ganz besonderem Maß. Wir verfolgen gespannt jeden Entwicklungsschritt, durch den dieses neue Leben in unsere Erwachsenenwelt hineinwächst. Ja, ein Wunder ist solch ein neues Leben, und wenn wir es beobachten, sehen wir an ihm die vielfältigen Fähigkeiten wachsen, die im Menschenleben angelegt sind, aber sich erst nach und nach entfalten: Zuerst die Beherrschung des Körpers: das Krabbeln, sich Aufrichten, Sitzen; gleichzeitig aber die Kommunikation im Anschauen, Zurücklächeln, in neugierigem alles-Betasten, später dann das Lernen des Ich-Seins in der Trotzphase, und immer mehr erwacht der Verstand, es kommt das unaufhörliche Fragen und Wissenwollen, die geistige Eroberung des Daseins. Wem darüber nicht das Wunder des Lebens aufgeht, dem ist nicht zu helfen.
Dementsprechend ist das Staunen darüber uralt. »Ungeheuer ist viel, doch nichts ist ungeheurer als der Mensch«, hat schon vor zweieinhalbtausend Jahren der altgriechische Dramendichter Sophokles gesagt. Vielleicht noch einiges älter ist der 139. Psalm, aus dem unser Tauftext stammt. Im Unterschied aber zu Sophokles staunt und fragt der Psalmdichter noch tiefer, er sinnt nämlich dem Ursprung dieses Wunders nach, und er findet die Antwort in dem staunenden Bekenntnis: »Du [du schaffender Gott] hast mich gebildet im Mutterleibe. Wunderbar sind deine Werke, das erkennt meine Seele.«
Allerdings: Unsere heutige intellektuell und wissenschaftlich geprägte Welt sieht sich über solch altväterliche Gedanken längst hinausgewachsen, fühlt sich über solch einen für antiquiert erachteten Glauben weit erhaben. Physiologische Prozesse sind das doch alles nur, was sich bei der Schwangerschaft im Mutterleib abspielt, nichts als Natur, zu deren Verstehen es keinen Gott braucht. Wir haben seine Nachfolge angetreten, wir sind es, die heute die Natur beherrschen und die Gesetze und Strukturen durchschauen, ja, wir können heute einen Menschen im Reagenzglas entstehen lassen, und wir sind es, die als Herren über Leben und Tod die Rolle der Selektion im Streben nach dem fittesten Dasein zu übernehmen bereit sind. Wir empfinden uns als die Schöpfer, denn wir schaffen die Welt neu nach unseren Bedürfnissen und Wünschen.
Gewiss, wir haben es weit gebracht. Aber haben wir damit das Geheimnis des Lebens wirklich durchschaut? Haben wir nicht bloß erkannt und nachvollzogen, was die Natur uns längst vorgemacht hat? Die Biotechnologie weiß davon ja ihr Lied zu singen. Wenn sich aber alles von selber entwickelt hat, dann müssen ja all die komplizierten Strukturen und Gesetzmäßigkeiten und damit auch all die Errungenschaften des Menschseins von Anfang an in der Natur, nämlich im Big Bang des Urknalls, schon keimhaft angelegt gewesen sein. Ist dann also diese Urenergie selbst schon in sich intelligent, ist Weltgeist im Prozess (so Georg Wilhelm Friedrich Hegel) oder Wille (so Arthur Schopenhauer) oder Seele (so Ludwig Klages)? Doch das sind auch nur reine Spekulationen, Versuche einer denkerischen Annäherung an das Urgeheimnis des Seins, Formen philosophischen Glaubens.
Rein rational aber stehen wir an dieser Stelle, dem Ursprung der Komplexitätder Natur, vor einer absoluten, unüberwindlichen Schranke, die uns das letzte rein rationale Begreifen verwehrt: einer Grenze, hinter der dann notwendigerweise die Fülle der persönlichen Überzeugungen anfängt, der Philosophien und der religiösen Glaubensformen.
Vielleicht empfinden manche unter uns solche Gedankengänge in einer Taufpredigt als fremd. Doch nein: sie sind vielmehr gerade eine Brücke aus unserer modernen Zeit zu dem zweieinhalbtausend Jahre alten Psalm unserer Bibel und unserem Taufspruch, denn genau vor jener Grenze stand damals schon der Psalmdichter, weil wir - Immanuel Kant hat uns das ein für alle Male gezeigt - über diese Grenze mit unserem menschlichen Verstand niemals hinauskommen. Gestern wie heute und morgen sind wir an dieser Grenze auf den Sprung eines Glaubens angewiesen, der freilich höchst unterschiedlich ausfallen muss, religiös oder nichtreligiös.
Immer aber wollen wir damit das Ganze und also einen letzten Sinn begreifen, selbst wenn wir einen solchen Sinn ableugnen. Das Verlangen danach gehört eben zur Grundausstattung unserer Natur.
Der Psalmist hat diesen Sprung in die Ebene des Glaubens, den wir als Christen mit ihm tun, auf seine Weise und im Kontext seiner Kultur mit einem einzigen Wörtchen vollzogen: »Du!« »Du - ungeheurer Schöpfer - hast mich gebildet im Mutterleibe. Ich danke dir, dass ich wunderbar gemacht bin.« Und weil dieses Du so wundersam schon unsere ersten Anfänge umgreift, sieht er in diesem Wunder noch mehr: eine allgütige Zuwendung, ein grundlegendes Ja des Ursprungs aller Dinge zu sich, das nicht nur den Anfang, sondern auch die Gegenwart umgreift; und eben das sagt unser Taufspruch: »Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.«
Es ist genau dieses allumfassende liebende Ja, das Jesus mit seinem Wirken und in seinen Worten radikal ins praktische Leben umgesetzt hat, in seinem Einsatz für andere, in seinem Ruf zur Umkehr zu wahrer Menschlichkeit, seiner Zuwendung zu den im Leben zu kurz Gekommenen, seiner Kritik an denen, die sich der Freiheit der Liebe aus Angst um ihre Vorteile und Sicherheiten widersetzen. »Reich Gottes« nannte er das. Sein ganzes Leben einschließlich seines Märtyrertodes war eine einzige Manifestation dieses göttlichen Ja, und eben das ist es, was wir jetzt in der Taufe feiern und unserem Kind zeichenhaft in Jesu Namen zusprechen. Denn Jesus hat gerade die Kinder zu sich kommen lassen, die die Jünger ärgerlich als bloße tumbe Unmündige wegjagen wollten. Nein, »lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solchen gehört das Reich, die Welt Gottes. Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind [nämlich so wie ein Kind vom Ja der Eltern lebt], der wird nicht hineinkommen.«
In diesem letzten umfassenden Ja, das uns in Jesus der schöpferische Weltgrund zuspricht, liegt das ganze Wesen des christlichen Glaubens beschlossen. Wer im Vertrauen auf dieses Ja lebt, hat jenen archimedischen Standort gewonnen, von dem der altgriechische Mathematiker gesagt hat, von da aus könne man die Welt bewegen. Das bedeutet nicht, dass wir den harten Schicksalen des Daseins, dass wir dem Nein von Leiden und Tod entnommen wären. Aber dieser Glaube schenkt eine Position, von der aus wir den Negativitäten des Lebens begegnen, ihnen Trotz bieten und sie schöpferisch bewältigen können. Dass dieses ewige Ja uns umfangend, liebend und sinngebend trägt, wird heute unserem Felix ganz persönlich auf den Kopf hin zugesagt, damit es später sein eigener Lebensgrund werde, auf dem er - wie sein Name sagt - sich als wahrhaft »Glücklicher« erfahren möge. Denn »von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir« - Gott sei Dank!
»Wir sind Kinder des Plastikzeitalters: vom Babyschnuller bis zur Trockenhaube, von der Quietschente bis hin zum Auto. Plastik ist überall: In den Weltmeeren findet man inzwischen sechsmal mehr Plastik als Plankton und selbst in unserem Blut ist Plastik nachweisbar! Die Menge an Kunststoffen, die wir seit Beginn des Plastikzeitalters produziert haben, reicht aus, um unseren gesamten Erdball sechs Mal in Plastikfolie einzupacken.«
Zitat aus dem Film »Plastic Planet«, der 2009 Premiere hatte und einige Auszeichnungen erhielt. Schadet Plastik unserer Gesundheit? Wer ist verantwortlich für die Müllberge in Wüsten und Meeren? Wer gewinnt dabei? Wer verliert? Der österreichische Regisseur Werner Boote, dessen eigener Großvater ein Pionier der Plastikindustrie war, sucht weltweit nach Antworten. Er stellt Fragen, die uns alle angehen.
Die erste Reaktion, die ich bei mir beobachtete, war der Gedanke, wie ich mich und meine Familie vor den Nebenwirkungen von Plastik schützen kann, die noch gar nicht so gut erforscht sind. Forschung wird eben immer noch größtenteils von der Industrie finanziert.
Dazu kamen dann bei mir Scham und Trauer, Teil eines in vielerlei Hinsicht zerstörerischen und ausbeuterischen Systems zu sein. Viele Lebewesen, vor allem Vögel und Fische, nehmen den Kunststoffmüll wie Nahrung auf und sterben daran. Irgendwo gibt es Menschen, die in den kunststofferzeugenden oder -verarbeitenden Fabriken arbeiten und mit den giftigen Stoffen täglich in Berührung kommen. Je mehr ich darüber mit anderen spreche, wird mir klar, dass auch bei uns die soziale Ungleichheit zunimmt und die schöne bunte, billige Warenwelt vielen Menschen zumindest die Illusion gibt, Teil am Wohlstand zu haben, während diese uns und unsere Umwelt schleichend vergiftet.
Die Herkunft und Herstellung des Verpackungsmaterials für Lebensmittel ist sehr häufig nicht klar. Oft sucht man vergeblich nach einem eingestanzten oder aufgedruckten Kürzel PP (= Polypropylen, Code 5) oder PE (= Polyethylene, Code 2 oder 4) oder PS (= Polystyrol, Code 6), welche zumindest zum Teil und oft unter Zugabe neuen Kunststoffs recycelt werden können und bisher als für den Menschen gesundheitlich unbedenklich eingeschätzt werden. Bei vielen billigen Kunststoffen ist die Wiederverwertung nicht möglich, weil sie in unseren Recycling Systemen nicht vorgesehen sind. Viel Plastikmüll, der nach China geschickt wird, wird dort einfach verbrannt und vergiftet so die Luft und die Ozeane.
Doch auch das Recycling von Kunststoffen ist eine Herausforderung: Im Gegensatz zu Metallen, Glas oder Papier, die in der gleichen Form neu erstellt werden können, ohne dass neues Material benötigt würde, muss zum alten Kunststoff neuer Kunststoff hinzugefügt werden, will man ihn wiederverwenden, da beim Schmelzen die Struktur geschwächt wird. Dünnes Plastik ist sehr schwer zu recyceln! Aus diesem Grund kann man aus einer Plastiktüte keine neue machen, nur 30 Prozent Alt-Plastik können mit der derzeit verfügbaren Technik für neue Produkte verwendet werden. Das bedeutet, dass 70 Prozent neues Material für eine Plastiktüte oder für eine Getränke-Plastikflasche hinzugefügt werden muss. So befeuert Recycling von Kunststoffen die Nachfrage nach mehr neuem Kunststoff. Kunststoff wird auch häufig »downgecycelt«, beispielsweise für die Faser-Füllung in Winterjacken und Wintermänteln, womit das Müllproblem ein wenig weiter nach hinten verlagert wird. Oftmals übersteigt das Recycling die Kosten und Neuwaren sind billiger.
Vielleicht lassen sich diese Mißstände nicht ausschließlich durch die Verbraucher ändern. Es gilt auch seitens der Wirtschaft und Industrie, sowie der Politik, mehr Verantwortung zu übernehmen. »Die Kunststoffindustrie macht 800 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr. Allein in Europa verdienen mehr als eine Million Menschen ihr tägliches Brot in der Plastikindustrie. Jeder Industriezweig ist heute auf Kunststoff angewiesen«, so Werner Boote in seinem Dokumentarfilm »Plastic Planet«. Viele Unternehmen bedienen sich irreführender Werbung, z.B. stand Tetra Pak schon mehrfach in der Kritik, seine CO2-Bilanzen zu fälschen und zu behaupten, ihre Produkte würden zu 100 % recycelt.
Filme wie »Plastic Planet« oder »We feed the world« bescheren mir Albträume, und dennoch verbessern sie bei mir etwas: Ich erinnere mich, wie schön es sich anfühlt, ein Stück Wolle, ein Schneckenhaus, eine Muschel, ein raues Stück Rinde anzufassen oder einen kleinen Bären aus Plüsch mit Stroh gefüllt von meiner Mutter und räume die Plastikspielsachen von Karl mal zur Seite und warte ab, ob er sie vermissen wird.
Es gibt viele Erkenntnisse über Plastik, die bis vor kurzem noch nicht bekannt waren, z.B. über Störungen des Hormonsystems durch Bisphenol A oder einfach die Tatsache, dass letztlich auch heutiges Plastik zu mikroskopisch kleinen Teilchen zerbröselt und dabei meist giftige Bestandteile freiwerden. Bisphenol A, ein Ausgangsstoff für die Synthese polymerer Kunststoffe, ist in Frankreich bereits uneingeschränkt verboten, in Schweden wird über ein Verbot nachgedacht. In Deutschland wurde es bisher nur im Zusammenhang mit Produkten für Säuglinge verboten. Wer gesundheitliche Nebenwirkungen für sein Kind vermeiden will, sollte neues Spielzeug aus weichem Kunststoff nur dann kaufen, wenn es ohne Weichmacher hergestellt wurde, z.B. erkennbar am TÜV-Siegel oder LGA-Zeichen.
Wir als Familie werden zumindest versuchen, kein weiteres Plastik zu kaufen, so gut es sich vermeiden lässt. Leider sind bunte, leuchtend-glänzende Oberflächen für einen 2-Jährigen besonders verführerisch: darunter auch manches lackierte Holzspielzeug oder mit Plastik beschichtete Kinderbuch. Es wäre schade, alles alte Plastikspielzeug wegzuschmeißen, das Hartplastik von Playmobil z.B. gilt als unbedenklich. Vor einem Neukauf sollte man sich aber zweimal überlegen, womit man einem Kind eine Freude machen will. Erfahrungsgemäß freuen sich die Kinder weniger über Spielzeug als über gemeinsames Spielen.
Viel Kunststoff befindet sich auch in den meisten Küchen: Tupperware, Kochlöffel und Plastiksieb: für vieles gibt es Alternativen in Holz, Glas, Töpferware und Metall. Starke Putzmittel oder Hitze greifen die meisten Kunststoffe an, selbst wenn »spülmaschinenfest« daraufsteht.
Wer sich von der Plastiklast ein bisschen befreien will, der kann vieles tun. Der Verzicht auf Plastikflaschen, die Anschaffung eines Sprudelgeräts, der Einkauf auf dem Markt oder beim Bäcker mit eigener Tragetasche, der Kauf von Second-Hand-Produkten, das Leihen und Reparieren von Dingen, der Kauf von größeren Mengen anstelle von verpackten Mini-Portionen, Putzmittel aus Essig, Wasser, Natron, Zitronensäure; all das hilft unter Umständen nicht nur der Ökologie, sondern auch dem Portemonee. Generell gilt: Plastik lohnt sich umso mehr, je länger es tatsächlich Verwendung findet. Unter Umständen kann ein Plastikgerät nach 3-jähriger Nutzung auch ökologisch Sinn machen.
Wenn die Erdölpreise steigen, werden auch Kunststoffprodukte teurer. Ob und wann wird ein Umdenken stattfinden? Beispielsweise in Italien dürfen seit 2011 in Geschäften offiziell nur noch Einkaufstüten aus biologisch abbaubarem Material abgegeben werden. Neue auf pflanzlichen Bestandteilen wie Stärke, Abfallprodukten der Zuckerrohrindustrie oder Pflanzenölen basierende Kunststoffe sind im Kommen. Da viele Konzerne nun versuchen, ihre Produkte möglichst »grün« zu waschen, wird es immer schwieriger für den Konsumenten zu erkennen, was nun eigentlich ökologisch sinnvoll ist. Beim Anbau von Mais und Getreide spielt weltweit immer mehr gentechnisch verändertes Saatgut eine Rolle, wobei sich die Skandale um den weltweit führenden Konzern »Monsanto« und die begründeten Proteste häufen. So bestünde wieder die Gefahr, mit einer Umstellung auf pflanzlich basierte Kunststoffe nicht unproblematische Stoffe in unser Ökosystem zu bringen.
Mein christlicher Templer-Glauben hat mich oft bestärkt, meinen eigenen Verstand zu benutzen und Achtung vor der Schöpfung zu bewahren. Andererseits habe ich auch bereits als Kind gelernt, wie billig und wertlos viele Gegenstände und Lebensmittel sind, die uns umgeben und dass wir vor diesen Dingen und ihrer Herstellung offenbar keine Achtung haben müssen. Welche Konsequenzen das auf unser Bild von uns selbst hat, ob eine derartige Lebensweise nicht ein tiefes ständiges Unbehagen auslösen muss, Angst, irgendwann von den Folgen betroffen zu sein, Scham?
In den Gesprächen mit anderen konnte ich feststellen, dass die Neigung, etwas zu verdrängen, bei jedem von uns gut ausgebildet ist oder dass es an Aufklärung mangelt. Man kann Kindern und Jugendlichen, die ihren Müll achtlos liegen lassen und immer neue spannende Produkte haben wollen, kaum einen Vorwurf daraus machen. Andererseits kann es auch eine abenteuerliche und spannende Aktion für Kinder sein, Müll aus Bächen oder aus Seen zu fischen...
Heute ist es wichtiger als je zuvor, dass die eigene Meinung nicht einfach von Medien und der Werbung übernommen wird. Jeder hat die Chance zu recherchieren, natürlich auch, ob es stimmt, was ich hier über Plastik geschrieben habe. Ich bewerte dabei die oft verteufelten neuen Medien, auch die »social media« durchaus als große Chance, eine größere Aufmerksamkeit für solche Themen zu erreichen.
Ich bin froh, dass ich bei Gemeindefreizeiten, Jugendsaal und Gesprächen mit Templern so viel Wille zum Andersdenken und zum verantwortungsvollen Handeln miterleben durfte und wünsche mir, dass der Diskurs auch bei der jungen Generation nicht nachlässt, sondern zum konkretem Handeln führt.
Chancen auf Recycling haben a) Kunststoffe mit den Recycling-Codes 1, 2, 4 und 5; b) farbloses Plastik, c) Plastik, das in der richtigen Tonne landet. Bessere Chancen auf Recycling haben Glas, Metall, Pappe.
Code 1) PET gibt mit der Zeit gesundheitsschädigendes Acetaldehyd in die Flüssigkeit ab, deshalb wurden anfangs nur den Beigeschmack kaschierende Getränke abgefüllt. Zudem haben Forscher der Universität Frankfurt am Main entdeckt, dass PET-Flaschen hormonell wirksame Stoffe abgeben. Flaschenproduzenten bzw. Getränkehersteller bekommen das Material von Plastikproduzenten (z. T. recyceltes Material) geliefert. Hierdurch können andere gefährliche Zusatzstoffe in das Gemisch gelangen. Die chemischen Zusammensetzungen sind oft unbekannt, da diese Firmengeheimnisse sind.
Code 3) PVC sollte man unbedingt meiden: sowohl aus gesundheitlichen als auch gesamt-ökologischen Gründen.
Code 6) PS Das Recycling von Polystyrol ist schwierig und die Verbrennung problematisch. Bei der Herstellung von Polystyrol kommt das krebserregende Benzol zum Einsatz, die Verarbeitung führt zur Freisetzung des krebserregenden Styroloxids.
Code 7) PC aus Polycarbonat, welches u.a. für hitzebeständiges Geschirr verwendet wird, setzt sich die hormonell wirksame Substanz Bisphenol A (BPA) frei. BPA kann die Sexualentwicklung stören und wird mit Herz-Kreislauferkrankungen in Zusammenhang gebracht.
Quellen: Bund für Umwelt und Naturschutz, PLASTIC PLANET, ÖKO-TEST
Vertrauen zu haben ist für mich der Schlüssel zu diesem Text. Wir alle wissen, welch machtvolle Wirkung Vertrauen haben kann. Ich spiele dreimal in der Woche Volleyball - es macht mir wirklich Spaß, und es ist gut für die Erhaltung meiner Gesundheit. An manchen Tagen spiele ich besonders gut, an anderen wiederum ist mein Spiel schlecht - wie in einem Teufelskreis verliere ich das Vertrauen in meine Fähigkeiten, und es fehlt mir an Beständigkeit. Wenn ich nach dem Spiel darüber nachdenke, bin ich überrascht von der Wirkung, die ein Mangel an Vertrauen haben kann.
Vertrauen zu haben kann eine gute Sache sein, es wirkt beruhigend, aber es braucht Zeit, entwickelt zu werden. Andererseits kann es aber auch ein Hindernis bedeuten. Einfach Vertrauen zu haben reicht nicht aus. Wir können alles Vertrauen der Welt haben, doch wenn es uns nicht gelingt, es auf etwas zu stützen, werden sich Probleme damit einstellen.
Die entscheidende Frage ist, in wen oder in was wir Vertrauen haben. Unbegründetes Vertrauen kann tödlich sein, begründetes Vertrauen dagegen gut und richtig. Manchen Christen fehlt Vertrauen, wenn sie davon ausgehen, dass ein Ausrutscher, eine Sünde ihnen ihren Glauben nimmt. Sie quälen sich durchs Leben und hoffen, dass sie auch jede Sünde gebeichtet haben und ihnen das Himmelreich nicht verschlossen bleibt. Christen dieser Art brauchen das Vertrauen, von dem Paulus in unserem Text spricht: »Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.«
Anderen mangelt es an Vertrauen in ihre eigene Überzeugung, vielleicht beeindruckt vom (übersteigerten) Vertrauen anderer, oder einfach wegen ihres Unbehagens über das geheimnisvolle »Etwas«, mit dem sie noch ringen. Dieses Christsein ist nicht so ganz einfach, wenn man auf sich selbst gestellt ist, es fordert einen heraus und verlangt, dass man ihm nicht einfach blindlings folgt. Wir Templer werden ermutigt und herausgefordert, selbst über unseren Glauben nachzudenken.
Manche Menschen haben großes Vertrauen in etwas, das nach unserem Gefühl falsch ist. Ich schaudere oft angesichts so mancher Glaubensäußerung oder religiöser Inbrunst. Aber kommt es mir zu, über andere zu richten? Natürlich gehen wir davon aus, dass auch Christen, wie alle Menschen, fehlbar sind, aber das übersteigerte Selbstvertrauen kann doch dazu führen, dass die Betreffenden von anderen als töricht - oder sogar sündhaft - angesehen werden.
Wo christlicher Glaube und Liebe vertrauensvoll gelebt werden, wächst reife Frucht.
Harald Ruff, Boronia Heights, »Templer Record« Nov. 2012,
gekürzt und übersetzt von Peter Lange