Die Warte des Tempels
Monatsschrift für offenes Christentum
Ausgabe 169/1 - Januar 2013
Im PDF-Format (2,2 MB)
Religion und Geschichte (Teil 2) - Brigitte Hoffmann
Jahreslosung 2013 - Peter Lange
Hört beim Strompreis das Umweltbewusstsein auf? - Jörg Klingbeil
Die Grenzen des Wachstums sind erreicht - Peter Lange
200 Jahre Württembergische Bibelanstalt - Peter Lange
Ich glaube - Walter Brandin
Religion und Geschichte (Teil 2)
Als die nach Babylon verbannten Juden heimkehren durften, erschien das fast allen als die Erfüllung des Heilsversprechens Gottes, der prophetischen Prophezeiungen. Nun war das Gottesreich in konkrete, greifbare Nähe gerückt, heraufgeführt durch den Perserkönig Kyros, den Jesaja pries als den Gesalbten (Messias, Christus), obwohl er dem persischen Zoroaster-Glauben anhing. Auch ein Nichtjude konnte das Werkzeug Gottes sein.
Aber die Rückkehr brachte nicht das Gottesreich, sondern Not und Elend; es dauerte viele Jahre, bis Stadt und Tempel notdürftig wieder aufgebaut waren. Aus unserer Sicht: eine automatische Folge der totalen Verwüstung und Zerstörung. Aus damaliger jüdischer Sicht: ein Zeichen, dass die Strafe noch nicht zu Ende war, dass das Volk weiterhin gegen Gottes Gebote verstieß. Und zwar sah man, im Gegensatz zu den Propheten, die Sünde wieder vor allem in der Verletzung der kultischen Reinheitsgebote. So entstanden damals die über 600 Einzelgebote - und durch spätere Deutungen noch viel mehr -, die das Alltagsleben bis in kleinste Details regelten. Sie sollten die »Heiligung« des Volks und die göttliche Vergebung bewirken.
Aber das Gottesreich kam nicht; statt dessen weitere Fremdherrschaft. Nach der relativ toleranten der Perser zunächst die der hellenistischen Nachfolger Alexanders des Großen, der Ptolemäer und der Seleukiden, schließlich die der Römer, ca. 600 Jahre lang. In dieser langen Zeit der Nicht-Erfüllung verlor die Reich-Gottes-Erwartung ihre Intensität. Aber sie verschwand nicht. Für die meisten wurde sie zur Hoffnung auf einen neuen Messias, einen Auserwählten Gottes, der irgendwann die große Vision der Propheten vom ewigen Friedensreich verwirklichen würde. Für gläubige Juden gilt das bis heute.
Aber die unterschwellige Sehnsucht blieb. Immer wieder kam es zu blutigen Aufständen gegen die jeweils Herrschenden, wenn fanatische Anführer das Gottesreich mit Gewalt heraufführen wollten und viele Gefolgsleute fanden auch unter denen, die bis dahin nur sehnsüchtig gewartet hatten. Das entsprach der Doppeldeutigkeit, die schon in den Visionen der Propheten lag: kommen sollte ein Friedensreich für alle, aber die Herrschaft darüber würde beim Gott Israels liegen und damit bei seinem Gottesvolk Israel: die Könige der Heiden würden den Gott Israels anbeten und ihre Schätze nach Jerusalem bringen. Im Umkehrschluss: eine Herrschaft Israels würde das Gottesreich bringen. Letztlich scheiterten diese Aufstände alle, und die beiden letzten und blutigsten gegen die Römer (68-70 und 135 n. Chr.) führten dazu, dass Jerusalem und der Tempel dem Erdboden gleichgemacht und so gut wie alle überlebenden Juden aus Palästina vertrieben wurden. Es gab kein politisch-religiöses Zentrum mehr. Damit war eine enge Koppelung von Religion und realer Geschichte obsolet geworden. Es gab zwar immer noch eine sehr lebendige Vorstellung vom »Volk Israel«, aber sie war von Religion und Abstammung bestimmt, hatte mit politischen Ereignissen nichts oder fast nichts mehr zu tun.
Jesus setzte einen neuen Akzent. Der Kern seiner Botschaft war das »Reich Gottes auf Erden«, ähnlich wie bei den Propheten (obwohl er sich nie auf sie beruft), und doch ganz anders. Denn für ihn hat diese Gottesherrschaft nichts mit historischen Ereignissen zu tun, nichts mit einer Herrschaft Israels, eigentlich nichts mit Herrschaft überhaupt. Es hat zu tun mit dem »Ändert euren Sinn«, es ist überall dort, wo Menschen entsprechend leben, im Vertrauen zu Gott und in Liebe untereinander. Damit war Reich Gottes eine Saat, die sich entwickeln würde - allmählich, denn sie hing von der Entscheidung des Einzelnen ab.
Gleichzeitig aber lebte Jesus in der Naherwartung: das Reich Gottes würde in allernächster Zukunft kommen (es stehen etliche hier, die den Tod nicht schmecken werden, bis das alles geschieht), plötzlich, allein nach dem Willen und durch das Handeln Gottes.
Das sind zwei Deutungen von Weltgeschichte, die sich für unser Denken widersprechen. Jesus war kein Systematiker, offensichtlich ging das für ihn zusammen. Für mich persönlich ist es unzweifelhaft, dass die Vision vom Gottesreich als wachsender Saat für ihn vorrangig war. Sicher auch, weil sie mich zutiefst anspricht, weil sie offen ist, Hoffnung macht, weil sie vielen Worten und Gleichnissen Jesu zugrunde liegt und sich nahtlos in sein Bild von Gott als dem Vater fügt. Aber auch aus einem objektiven, quasi historischen Grund: die Vorstellung von einem Weltgericht stammt aus der persischen Religion, sie war seit dem Exil ins Spätjudentum eingesickert, viele von Jesu jüdischen Zeitgenossen glaubten daran. So können die großen Weltgerichtsreden in den Evangelien - wenn sie nicht sowieso spätere Zutat sind - auch ein Beispiel dafür sein, dass Jesus in manchen Punkten vom »Zeitgeist« beeinflusst war. Das Bild vom Gottesreich als wachsender Saat war ohne Beispiel, es konnte nur von jemandem stammen, der die Dinge neu und anders sah: von Jesus selbst.
Für beide Visionen ist die reale Geschichte irrelevant. Das änderte sich mit dem Wachstum der neuen Religion. Bis zum Ende des 3. Jahrhunderts bekannte sich etwa ein Drittel der Bewohner des römischen Reichs zum Christentum. Das war ein Aufstieg aus eigener Kraft, nicht provoziert durch historische Ereignisse und ohne Hilfe von außen, trotz phasenweise intensiver Verfolgung.
Die Gründe dafür sind nur schwer im einzelnen auszumachen. Sicher spielte die Erlösungshoffnung eine große Rolle - da die Christen sich für die Auserwählten hielten, war das erwartete Weltende für sie keine Drohung, sondern eine Hoffnung; sicher die Gemeindebildung, die schon seit Paulus zum Kern der Mission gehörte: Glaubensgemeinschaften, in denen die gegenseitige Hilfe, speziell auch für die Notleidenden, nicht nur gelehrt, sondern gelebt wurde; sicher auch, dass sich schon früh eine Organisation und eine Hierarchie entwickelte: die Kirche, die eine gewisse Lenkung von oben möglich machte. So oder so: das Christentum war zu einem Machtfaktor geworden, der nützlich sein konnte.
Konstantin (324-337) erkennt und nutzt das: er stoppt die Verfolgungen und fördert das Christentum - was dessen weitere Ausbreitung zur Folge hat und ihm die Loyalität der Christen sichert. 391 macht einer seiner Nachfolger das Christentum zur Staatsreligion und verbietet alle heidnischen Kulte.
Das bedeutete den Sieg des Christentums im ganzen Gebiet des römischen Weltreichs und z.T. darüber hinaus, im Osten bruchlos bis zur islamischen Eroberung, im Westen über alle Brüche (Völkerwanderung, Zerfall des weströmischen Reiches) hinweg. Als sich aus den Wirren allmählich einigermaßen stabile germanische Staaten herausschälten, waren sie alle »christlich«. Die Anführer hatten sich - aus welchen Gründen auch immer - taufen lassen; dass ihre Gefolgsleute das auch taten, hatte kaum etwas mit ihrer eigenen Überzeugung zu tun, viel mit ihrer Gefolgschaftstreue, manchmal wohl auch mit Zwang. Man schätzt, dass es bis ins 11. Jahrhundert dauerte, bis die breite Masse der Bevölkerung, vor allem durch das Wirken der Klöster, den Inhalt der neuen Religion einigermaßen kannte und verstand.
Mit seiner Ausbreitung, mit seiner Größe war das Christentum, genauer gesagt, war die Kirche, mit der es sich jahrhundertelang identifizierte, ein wichtiger Faktor der realen Geschichte geworden. Das brachte ihr die Möglichkeit, mitzugestalten; und, bildlich gesprochen, den Verlust der Unschuld. Sie wurde zum Mitspieler im Kampf um Macht.
Als die Christen, quasi über Nacht, von Verfolgten zu Quasi-Teilhabern der Macht wurden und wenig später zu Vertretern der allein erlaubten Staatsreligion, sahen sie darin - man ist versucht zu sagen: natürlich - ein direktes Walten Gottes, und in dem, der diese Wende heraufgeführt hatte, Gottes Werkzeug. Konstantin wurde zwar nicht als Messias oder Heiliger gesehen, aber als Gottes Beauftragter und Statthalter. Und dieser Nimbus übertrug sich nicht nur auf seine Nachfolger, sondern bald auch auf alle christlichen Herrscher. Schon Karl der Große trug den Titel »dei gratia imperator«, Kaiser von Gottes Gnaden.
Damit war das »Bündnis von Thron und Altar« gegeben (die Formel wurde erst viel später geprägt). Es war für viele Jahrhunderte in der christlichen Welt ein wichtiger Faktor. Es bot beiden Partnern gewichtige Vorteile: den Herrschern eine quasi göttliche Legitimation in den Augen der Gläubigen - bald: aller; der Kirche die Chance, ihre Ziele mit Hilfe der staatlichen Gewalt durchzusetzen. Und beide hatten ein großes gemeinsames Ziel, das beide als göttlichen Auftrag verstanden: die Wahrung und Ausbreitung des Glaubens; manchmal aus frommer Überzeugung, meist gekoppelt mit eigenen Machtinteressen.
Die Folgen waren verheerend: Eroberungsfeldzüge mit Zwangstaufen und Massakern an Ungläubigen, Ketzerverbrennungen, Vertreibungen, Folter und Inquisition, Glaubenskriege, Ausrottung ganzer Völkergruppen. Erst im 18. Jahrhundert, mit der Aufklärung und der allmählichen Zurückdrängung der Religion aus der Politik hörten diese Exzesse in der nicht mehr so christlichen Welt weitgehend auf. Kriege gab und gibt es auch ohne Religion, aber Glaubenskriege sind im allgemeinen grausamer und langwieriger, weil der Feind ja nicht nur ein Gegner ist, sondern ein Vertreter des Satans, und weil die je eigene Wahrheit keine Kompromisse verträgt.
Angesichts einer solchen Bilanz sind viele Nichtgläubige überzeugt, Religion sei für die Menschheit eher ein Fluch als ein Segen. Müssen wir ihnen recht geben?
Ich denke: nein. Sie sehen nur diese eine Seite. Auf der anderen stehen die vielen Menschen, denen Religion ein Halt, ein Trost, eine Quelle des Glücks ist, etwas, das ihrem Leben einen Sinn gibt, auch wenn man aus rationaler Sicht diesen Sinn nicht erkennen kann.
Das ist die individuelle Seite der Religion. Aber wie steht es mit der anderen Seite, von der ich ausgegangen bin, die das Heil nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für das Ganze, für die Welt will? Ich habe versucht zu zeigen, wie aus der Prophetenzeit des alten Israel diese Vorstellung erwachsen ist und vom Christentum übernommen wurde.
Die Prophezeiungen der Propheten haben sich als Irrtum erwiesen, ebenso wie die Endzeiterwartungen der frühen Christen, und alle Deutungen der Geschichte in dieser Richtung waren falsch (die der frühen Templer gehören auch dazu). Gehen uns all diese Irrtümer überhaupt noch etwas an?
Ich denke: ja, denn sie wirken weiter. Geblieben ist die Überzeugung, dass Religion nicht nur mit dem zukünftigen Heil des Einzelnen zu tun hat, sondern mindestens ebenso sehr mit unserem Leben im Hier und Jetzt, mit der Gesellschaft.
Und geblieben ist, zumindest noch für einige Zeit, die Sehnsucht nach einem guten Ziel der Geschichte, nach einem Zustand ohne Krieg und Not. Als im 19. Jahrhundert die religiöse Prägung zurückging, entstanden statt der religiösen neue, weltliche Heilslehren. Die bedeutendste war der Marxismus. Marx‘ Vision von der Zeit nach der proletarischen Revolution: dann wird jeder alle seine Bedürfnisse befriedigen können, und jeder wird freiwillig nach seinen Kräften für das Allgemeinwohl arbeiten. Das ist, ins Weltliche übersetzt, die Vision der Propheten: dann wird jeder die Fülle haben, und: sie werden Gottes Gesetz in ihrem Herzen tragen. Alle diese Visionen sind, nach furchtbaren Opfern und Überforderungen, an sich selbst zugrunde gegangen. Und wir sind skeptisch geworden gegenüber neuen Heilslehren. Auch gegenüber den religiösen. Wir glauben nicht mehr, dass Gott die Geschichte im Einzelnen lenkt, oder dass er ihr irgendwann, willkürlich, ein Ende setzen wird - mit oder ohne Wunder. Und wir glauben auch nicht mehr, dass es Reich Gottes als einen Zustand ewiger gesicherter Harmonie jemals geben kann. Das meiste von dem, was Menschen einander antun, geschieht nicht, weil sie böse sein wollen, sondern weil sie ganz verschiedene Ansichten haben von dem, was gut sei. Daraus ist die Vielgestaltigkeit unserer Welt gewachsen.
Trotzdem bleibt etwas, an das wir glauben können: die Vision Jesu. Reich Gottes ist überall dort, wo kleine oder große Gruppen von Menschen sich darum bemühen. »Was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch.« Auch wenn uns das nur gebrochen gelingt: wo wir uns darum bemühen, ist ein kleines Stückchen Reich Gottes. Das ist der zweite Hauptpunkt von Jesu Vision: Reich Gottes ist eine Saat. Schon die Gleichnisse zeigen: nicht jede Saat geht auf. Manches verkümmert, manches geht gar nicht erst auf. Aber es gibt neuen Samen.
Stimmt das? Deckt es sich wenigstens mit Teilen der Realität? Ich denke ja. Manchmal selbst in der Politik: die Versöhnung zwischen Frankreich und Deutschland nach dem 2. Weltkrieg. Sie ist über alles Erwarten gelungen und sie wirkt weiter. Wir haben in Europa - abgesehen von dem kurzen Serbienkrieg - seit fast 70 Jahren Frieden und wir können uns nicht mehr vorstellen, dass europäische Staaten untereinander Krieg führen. Das ist etwas, das es in Europa Zeit seines Bestehens noch nicht gegeben hat (und nach meinem beschränkten Wissen auf anderen Kontinenten auch nicht).
Zum Schluss noch das Beispiel, das mir am wichtigsten ist: die Entstehung von inzwischen Tausenden von kleinen und größeren Gruppen - manche sind inzwischen zu Großorganisationen geworden -, vom Roten Kreuz bis zur Selbsthilfegruppe für MS-Kranke, wo sich Menschen einsetzen, freiwillig und oft ehrenamtlich, um einer speziellen Not abzuhelfen oder sie zu lindern. Überall, wo sie sich konkret einsetzen, tragen sie dazu bei, die Welt - an einem Ort - ein bisschen heller und hoffnungsvoller zu machen.
Natürlich gibt es Gegenbeispiele. Auch diese Sicht ist eine Deutung. Aber es ist eine, die nicht im Widerspruch zur Realität steht. Und eine, die uns Mut und Hoffnung machen kann, uns helfen kann, ein kleines bisschen dazu beizutragen, dass manches von der Saat wächst.
Brigitte Hoffmann
BIBELWORTE - KURZ BETRACHTET
Jahreslosung 2013
»Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.« (Hebr. 13,14)
Die Jahreslosung der Evangelischen Kirche für 2013 ist dem »Brief an die Hebräer« entnommen, der in unseren Predigten und Bibelkommentaren meines Wissens bisher noch unberücksichtigt geblieben ist. Im 3-jährlichen Templer-Losungskalender gibt es nur eine einzige Erwähnung dieses Briefes (10, 23-25). Vielleicht liegt es daran, dass Verfasser, Empfänger und Entstehungszeit unsicher sind, vielleicht auch daran, dass der Text fast am Ende des Neuen Testaments steht. Auf jeden Fall ist der Brief in einigen seiner Passagen - und besonders in der Stelle 13,14 - manchem unter uns geläufig. So hat beispielsweise Frau Gertrud Deininger-Wassermann schon vor längerer Zeit ihrer Familiengeschichte das Wort der neuen Jahreslosung als Titel mitgegeben.
Der Text legt nahe, dass er sich in einem übertragenen Sinn versteht - die jetzige Welt (unser diesseitiges Leben) ist nicht unser Zuhause, sondern wir leben für eine zukünftige Welt Gottes (die jenseitige Heimat). Doch wird er immer wieder für das reale Auffinden einer neuen diesseitigen Heimat gebraucht (wie eben bei der Familie Deininger, die zu den Auswanderern aus Württemberg nach Palästina zählte). Es ist ein altes Motiv, das sich schon im Begriff des »wandernden Gottesvolkes« in der Geschichte der aus Ägypten ausziehenden Israeliten findet.
Christoph Hoffmann war mit den Geschichten der Bibel und ihren legendenhaften Erzählungen gut vertraut und hat in manchen von ihnen den Kern seiner eigenen Suche nach dem Sinn des Lebens gesehen. Beispielhaft dafür ist sein 34 Verse umfassendes Gedicht von »Abrahams Auszug«. So wie der Stammvater Abraham sich aus Ur in Chaldäa auf der Suche nach neuen Weidegründen für seine Herden nach Norden (Haran) wendet und dann südwärts zieht bis in den Negev, so vergleicht sich Hoffmann mit ihm in seinem geistig-religiösen Wandern. Er war bei Abfassung dieser Verse (1856) noch gar nicht auf den wichtigsten »Weidegründen« seines Lebens angekommen, doch er beschreibt die Suche danach in eindrücklichen Worten, die er Abraham in den Mund legt:
Leicht schafft des Leibes Nahrung sich
der Mensch an jedem Ort der Welt;
allein wer sichert ihm die Kraft,
die ihn und sein Geschlecht erhält?
Wer hält Verzagen von uns fern,
wenn Gott durch Drangsal uns erprobt?
Wer gibt uns richtigen Entschluss,
wenn um uns her das Wetter tobt?
Auf meinem Lager dacht‘ ich jüngst
dem Rätsel dieser Fragen nach
und hörte Gottes Stimme, die
zu der bewegten Seele sprach:
Geh aus von deinem Land und Stamm,
hinweg von deines Vaters Haus,
und zieh vertrauend in das Land,
das ich dir zeigen will, hinaus.
Von dieser Vorstellung einer von Gott geführten Wanderschaft fühlte sich Christoph Hoffmann ganz und gar durchdrungen. Ein Zitat aus seinen vielen Veröffentlichungen zum Thema eines Zuges nach Jerusalem belegt das deutlich:
»Christen können wir überall auf der Erde sein, aber ein christliches Volk, ein Volk Gottes, kann nur auf dem Boden seiner Väter, umgeben von den Denkmalen der göttlichen Taten, nachwachsen, kann nur in den Orten, wo Abraham geglaubt, David gekämpft und Christus gelitten hat, Ort und Ziel seiner Bestimmung erkennen.«
Die Auswanderer nach Palästina in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebten in dem Gefühl, dass sie im damaligen religiösen Leben »keine bleibende Stadt« haben könnten, sondern dass neue Ziele, Leitgedanken und Überzeugungen gesucht werden müssten. Dieser »zukünftigen Welt« opferten sie in Württemberg Haus und Hof, gesicherte Einkünfte und Rückhalt bei Nachbarn und Ortsbewohnern. Ihr über 80 Jahre währendes Durchhalten in fremder Umgebung, in fremdem Klima und bei fremden Menschen kann nicht anders erklärt werden als durch ihre Überzeugung, dass sie »Gottes Reich in dieser Welt suchen« müssten, wie es ein bekanntes neuzeitliches Lied ausdrückt.
Aber auch in Jerusalem - und den anderen Siedlungen im früheren Palästina - hatten sie keine »bleibende Stadt«. Es wird wohl immer zu den Geheimnissen menschlicher Schicksale gehören, dass sich Ziele und Vorstellungen mit der Zeit verändern und verschieben können. So haben die ihrer langjährigen Heimat beraubten Templer in Australien ihre »zukünftige Stadt« gefunden. Die Jüngeren unter ihnen verstehen diese Wandlung alter Vorstellungen als eine Notwendigkeit und Chance. Veränderte menschliche Verhältnisse erfordern immer eine neue »Suche nach der Welt von morgen«.
So wie den deportierten Templern aus dem »Heiligen Land« erging es auch vielen anderen Flüchtlingen, Vertriebenen und Entwurzelten. Für sie war in Siebenbürgen, an der Wolga, am Kaukasus oder in Ostpreußen »keine bleibende Stadt« mehr. Auch sie mussten auf die Suche gehen, die »zukünftige« zu finden.
Peter Lange
»Die zukünftige Stadt«, Künstlerischer Entwurf der Jahreslosung 2013 von Angelika Litzkendorf, Georgsmarienhütte
Hört beim Strompreis das Umweltbewusstsein auf?
Teurer Ökostrom - billiger Atomstrom?
Wirkt sich die Diskussion um die jüngsten Strompreiserhöhungen wegen der Umlage für erneuerbare Energien - die sog. EEG-Umlage steigt im Jahr 2013 von bisher 3,59 auf 5,28 Cent pro Kilowattstunde - auf die Einstellung der Bundesbürger zur Energiewende, also zum Abschalten der Atomkraftwerke nach der Katastrophe von Fukushima im Jahr 2011 aus? Mit dieser Frage befasste sich ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 7. November 2012 (»Das Märchen vom teuren Ökostrom«), der umgehend engagierte Diskussionen unter den Lesern auslöste. Zwar halten die meisten Deutschen die Energiewende nach wie vor grundsätzlich für notwendig, doch beim Geldbeutel hört die Sympathie offenbar auf. So berichtete die Bild-Zeitung vor kurzem über das Ergebnis einer Umfrage, wonach sich 65 % der Befragten die Kernkraft zurückwünschten; immerhin hatten mehr als 100.000 Leser ihre Stimme abgegeben. Zwar sind die Strompreise in Deutschland im europäischen Vergleich in der Tat hoch, jedoch kann hierfür nicht allein die subventionierte Erzeugung von Öko-Strom verantwortlich gemacht werden. Vielmehr spielt eine größere Rolle, wie die Strompreise kalkuliert werden bzw. welche Kosten eingepreist werden. Die direkte Subventionierung durch die garantierten Abnahmepreise für die Einspeisung des Öko-Stroms ins Netz trifft allerdings die Stromkunden direkt; die Kosten der Energiewende werden auf diese Weise sofort auf der Stromrechnung sichtbar. Es wäre aber ein Irrtum zu glauben, dass die Erzeugung von Atom- und Kohlestrom kostengünstiger war bzw. ist. Unter dem Strich kosten Atom- und Kohleenergie den Verbraucher sogar deutlich mehr als der Ökostrom. Dies hat vor kurzem eine Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) ergeben. Danach verursachten konventionelle Energien deutlich mehr Kosten, als den Stromkunden direkt in Rechnung gestellt wird. Der Präsident des Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth, bestätigte dies: »Nicht nur Atomkraft, sondern auch Kohle sind über Jahrzehnte vom Steuerzahler subventioniert worden. Das sind deutlich höhere Kosten als das, was wir im Augenblick für die erneuerbaren Energien ausgeben.« Der entscheidende Unterschied liegt deshalb darin, dass die hohen Förderungen für Atom- und Kohlestromerzeugung nicht auf der Stromrechnung auftauchen, sondern sich in der allgemeinen Steuer- und Abgabenlast verstecken. Nach der FÖS-Studie wurde Atomstrom seit 1970 aus öffentlichen Quellen mit mindestens 187 Milliarden Euro gefördert, Energie aus Steinkohle mit 177 Milliarden Euro und Energie aus Braunkohle mit 65 Milliarden Euro. Im Vergleich dazu kommt bislang die Förderung der erneuerbaren Energien, die allerdings erst in den 1990er Jahren einsetzte, auf 54 Milliarden Euro.
Auf die Kilowattstunde umgerechnet sieht das Ergebnis nur auf den ersten Blick anders aus. Im Zeitraum 1970 bis 2012 wurde zwar Strom aus erneuerbaren Energien mit 3,4 Cent je Kilowattstunde gefördert, Braunkohlestrom mit 1,3 Cent und Steinkohlestrom mit 3,3 Cent. Immerhin weist die Atomstromerzeugung auch nach dieser Betrachtungsweise mit 4,0 Cent den höchsten Förderwert auf. Was in dieser Berechnung nach Ansicht der Verfasser der FÖS-Studie noch fehlt und dementsprechend eigentlich hinzuzurechnen wäre, sind die gesamtwirtschaftlichen Folgekosten, die den Erzeugern bisher nicht direkt zugerechnet würden. Das gelte für die Folgekosten der Endlagerung von Atommüll, Klimaschäden, Umweltverschmutzung und nukleare Unfälle, die noch Jahre nach dem Abschalten der Kraftwerke zu bezahlen seien. Unter Einbeziehung der gesamten volkswirtschaftlichen Kosten der Stromerzeugung trage die Gesellschaft aktuell bei einer Kilowattstunde Strom aus Wasserkraft Kosten von 7,6 Cent, bei Strom aus Windenergie 8,1 Cent und bei Strom aus Steinkohle 14,8 Cent. Bei Strom aus Atomkraft kommt die Studie je nach Höhe der angesetzten externen Kosten auf mindestens 16,4 Cent und höchstens 42,2 Cent pro Kilowatt. Die Stromerzeugung durch Photovoltaik sei zwar mit 36,7 Cent je Kiliwattstunde ähnlich teuer oder sogar noch teurer als Atomstrom, jedoch durch die hohen Anfangsinvestitionen bedingt. Auch die staatliche Unterstützung für den Atomstrom sei in den frühen Jahren mit rund 60 Cent fast doppelt so teuer gewesen.
Insgesamt kommen die Verfasser der Studie zu dem Schluss, dass einige erneuerbare Energien heute schon kostengünstiger seien als konventionelle Energieträger, wenn außer dem Preis auf der Stromrechnung auch die staatliche Förderung und die Kosten für Umwelt- und Klimabelastung einkalkuliert werden. Was außerdem bedacht werden muss, ist die Preisentwicklung bei fossilen Energieträgern. So hat beispielsweise die Agentur für erneuerbare Energien vorgerechnet, dass der Ausbau der Erzeugung von erneuerbaren Energien bereits heute einen dämpfenden Einfluss auf die Gesamtkosten des Stromverbrauchs habe; so habe Deutschland dadurch 2011 auf die Einfuhr von fossilen Energieträgern im Wert von sechs Milliarden Euro verzichten können. Diese Einfuhren würden in den nächsten Jahren nicht billiger. 2011 habe das Land für den Import fossiler Energierohstoffe mehr als 80 Milliarden Euro ausgegeben; bis 2020 sei bei gleichbleibenden Mengen mit jährlichen Kosten von 120 Milliarden Euro zu rechnen. Auch wirtschaftsnahe Kreise gehen von erheblichen Preissteigerungen für Kohle, Gas und Erdöl in den nächsten Jahren aus, zum einen weil die Nachfrage weltweit steigt, zum andern weil die Vorräte allmählich zur Neige gehen. Insofern hat Deutschland mit der Energiewende und der Subventionierung der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien einen zukunftsträchtigen Weg beschritten, dem sicherlich auch andere Länder folgen werden. Man mag darüber streiten, ob die EEG-Umlage zu hoch ist, die Verteilung der Kostenlast auf die Stromkunden ist aber allemal ehrlicher, als diese den Steuerzahlern aufzubürden, wie es insbesondere hinsichtlich der horrenden (gesamtwirtschaftlichen) Kosten für Atomstrom schon seit Jahrzehnten geschah und immer noch geschieht. Wer die FÖS-Studie nachlesen möchte, findet sie auf der Homepage foes.de in einer Kurz- und Langfassung. Der erwähnte SZ-Artikel steht ebenfalls noch im Netz.
Jörg Klingbeil
Die Grenzen des Wachstums sind erreicht
1972 veröffentlichte der multinationale »Club of Rome« den schockierenden und aufrüttelnden Bericht über die »Grenzen des Wachstums« auf unserem Planeten und erhielt ein Jahr später dafür den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Diskussionen um die Aussagen des Buches wurden weltweit geführt. Wissenschaftler unterstrichen mit eigenen Untersuchungen die beschriebenen negativen Auswirkungen modernen wirtschaftlichen Handelns auf der Erde.
40 Jahre danach fallen die Prognosen des neuesten Berichts der »Denkfabrik« Club of Rome gar noch düsterer aus. »Die Menschheit hat die Ressourcen der Erde ausgereizt, und wir werden in einigen Fällen schon vor 2052 einen örtlichen Kollaps erleben«, warnt der norwegische Zukunftsforscher Jorgen Randers bei der Präsentation seines Berichts. Wie wir einer Darstellung von Wolfgang Kessler/Teresa Schneider in »Publik-Forum« (Ausgabe 10/2012, Seite 26) entnehmen, sagte Randers, die Welt stehe am Abgrund. So würden wir zum Beispiel jedes Jahr zweimal so viel Treibhausgase ausstoßen, wie Wälder und Meere absorbieren könnten. Tag für Tag würden rund 33.000 Hektar wertvollen Regenwaldes vernichtet, was einer Fläche von 45.000 Fußballfeldern entspräche. Die negativen Auswirkungen davon seien unübersehbar.
Dass der Planet Erde mit all seinen Naturschätzen und Ressourcen für die Menschen, die ihn bevölkern, offenbar nicht ausreicht, habe vor allem einen Grund: der globale Kapitalismus verbreite nicht irgendeinen Lebensstil, sondern den American Way of Life. Sieben Milliarden Menschen träumten von immer mehr und immer neueren Häusern, Autos, Computern und Kühlschränken, so wie es die Amerikaner und auch die Deutschen ihnen vorlebten. Auch andere Völker - Chinesen, Inder, Brasilianer - hätten ein Recht auf diesen Traum, solange andere Menschen auf der Welt seine Vorzüge genießen würden. Dieser Traum könnte jedoch bald zu einem Albtraum werden.
Die globale Gefahr von Umweltkatastrophen ist zwar bekannt, doch scheint ein Gegensteuern immer wieder an egoistischen Überlegungen zu scheitern. Keine internationale Klimakonferenz glänzt bisher mit übereinstimmenden Beschlüssen. Es gibt zwar Anstrengungen, wie derzeit in unserem Lande, den Verbrauch von Erdöl, Gas und Kohle durch Alternativenergie-Gewinnung abzubremsen, aber ein von den Regierungen ausgeübter Druck zur schnelleren Realisierung dieser Pläne ist derzeit nicht zu erkennen.
Nach Einschätzung der Verfasser des »Publik-Forum«-Artikels gibt uns das gegenwärtige System unseres wirtschaftlichen Handelns - Kapitalismus, Wirtschaftsliberalismus - keinerlei Chance, die drohenden Gefahren abzuwenden. Auch wenn der Kapitalismus der Zukunft grundlegend anders aussehen würde als jener von heute, würde die Endlichkeit der Erde diesem System die Grenzen des Wachstums aufzeigen, denn ein Kapitalismus ohne Wachstum sei nicht vorstellbar.
Fallen wir nicht alle immer wieder der kapitalistischen Logik zum Opfer, dass mit allen Mitteln ein wirtschaftliches Wachstum erhalten bleiben müsse? Gäbe es für uns Menschen nicht auch Möglichkeiten, bei einem »Null-Wachstum« menschenwürdig leben zu können? Vermutlich wird uns irgendwann in naher Zukunft nichts anderes übrig bleiben, als diese Frage zu bejahen, und Wege zu finden, wie der vorhandene Reichtum auf der Erde einigermaßen gerecht verteilt und die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich so weit wie möglich geschlossen werden kann. Noch liegt uns hier der Drang zu Rendite und zu höheren Gewinnen unüberwindlich im Weg.
Es ist ermutigend, dass sich auch aus dem Bereich der Kirchen Stimmen zu diesem Thema äußern und zum Handeln aufrufen. So tat es am 12. November in Bielefeld die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Annette Kurschus, die vor der westfälischen Landessynode ein Ende des Wachstumsdenkens als beherrschendem Maßstab forderte. Nötig sei stattdessen eine »Ethik des Genug«, wie es die beiden großen Kirchen beim UN-Nachhaltigkeitsgipfel im Juni in Rio de Janeiro angeregt hatten.
»Ein egoistisches und rücksichtsloses Streben nach immer mehr Wachstum ist nicht zu vereinbaren mit der klaren Parteinahme Gottes für Arme und Notleidende«, betonte die 49-jährige Theologin. Christen dürften nicht tatenlos zusehen, »wie weltweit täglich etwa 24.000 Menschen aus Mangel an Brot, Wasser und medizinischer Versorgung elend krepieren, während eine kleine Minderheit der Weltbevölkerung - dazu gehören auch wir - in Überfluss lebt«.
So mahnen die Autoren der »Publik-Forum«-Darstellung konsequent eine Änderung unseres wirtschaftlichen Handelns an: »Alternativen zum Kapitalismus sind unumgänglich. Statt knallhartem Konkurrenzkampf geht es um kooperative Eigentumsformen, die das Wohl der Vielen mehren und nicht das Konto der Wenigen. Anstatt das Schicksal der Welt dem Spiel der Märkte zu überlassen, müssen sich die Menschen gemeinsam verbindliche Grenzen auferlegen, um Umwelt und Klima zu schützen. Es geht um neue Wege des Teilens von Reichtum und Arbeit - vor allem in den westlichen Industrieländern. Es geht um nachhaltige wirtschaftliche und geldpolitische Kreisläufe überall auf der Welt, die mit einem Minimum an endlichen Ressourcen und Umweltzerstörung ein Maximum an Wohlstand ermöglichen. Und vor allem geht es um eine neue Kultur des Konsums. Eine Wegwerfwirtschaft, die in immer kürzerer Zeit möglichst viele Produkte auf den Markt wirft und Ressourcen verschleudert, ist mit dem Ziel einer lebenswerten Zukunft ebenso wenig vereinbar wie ein Finanzsystem, das aus Geld in Sekundenschnelle mehr Geld zu machen versucht, ohne dass die Weltwirtschaft irgendeinen Nutzen davon hat.«
Ich denke, dass wir mit einem solchen Umdenken bei uns selbst beginnen müssen. Wir haben mit unseren Nachkriegserfahrungen bewiesen, dass auch mit Wenig ein Gefühl des Genug möglich ist. Wenn damals das Rad der Wirtschaft verständlicherweise viele Jahre in Richtung Wachstum gedreht wurde, muss jetzt notwendigerweise ein Bremsmanöver eingelegt werden, so schwer uns allen dies auch fallen wird. Denn die Grenzen des Wachstums sind erreicht.
Peter Lange
200 Jahre Württembergische Bibelanstalt
Die Älteren unter unseren Lesern, die mit der Stadtgeschichte Stuttgarts ein wenig vertraut sind, werden sich noch an das Gebäude am Wilhelmsplatz erinnern, auf dem in großen Schriftzeichen »Privilegierte Württembergische Bibelanstalt« zu lesen war. Gerade noch zum Jahresende 2012 war ich darauf gestoßen, dass diese Bibelanstalt vor genau 200 Jahren, am 11. September 1812, von Carl Friedrich Adolf Steinkopf gegründet worden war (siehe Briefmarke vom Jubiläum 1961). Dieser Pfarrer der deutschen lutherischen Kirche in London hatte von der British and Foreign Bible Society den Auftrag erhalten, auch auf dem Kontinent Bibelgesellschaften zu gründen.
Im Spätsommer 1812 kam Steinkopf nach Stuttgart. Nach vorbereitenden Gesprächen fand dann die Gründung der Bibelanstalt für das Königreich Württemberg statt. Die Gründer waren einige Stuttgarter Geistliche, etliche Beamte und eine Anzahl Handels- und Gewerbetreibende, unter ihnen auch Christoph Matthäus Daniel Hahn, ein Halbbruder des Mechanikerpfarrers Philipp Matthäus Hahn. Fast alle dieser Gründer waren der Basler Christentumsgesellschaft verbunden, die sich die Förderung des praktischen Christentums zur Aufgabe gemacht hatte. Damit wurde die Verwandlung des Pietismus des 18. Jahrhunderts in die Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts bewirkt, die von der Gründung vieler christlicher Liebeswerke gekennzeichnet ist.
Die Württembergische Bibelanstalt in Stuttgart ist die älteste und größte noch heute existierende Bibelgesellschaft Deutschlands und Teil der Deutschen Bibelgesellschaft. Viele verschiedene Ausgaben der Bibel sind inzwischen dort herausgegeben und gedruckt worden, 1967 zum Beispiel die »Gute Nachricht«-Bibel, eine Bibel in moderner Sprache. Unsere Leser werden vielleicht noch Bibelausgaben besitzen, auf denen als Herausgeber »Württembergische Bibelanstalt« steht. Ziel der Arbeit dieser Gesellschaft war stets, Bibeln zu erschwinglichem Preis herzustellen und damit das Wissen um den Grund des christlichen Glaubens zu erweitern.
Auch unsere Tempelgemeinde zehrt von dieser Arbeit. Wie alle christlichen Kirchen und Gemeinschaften versucht sie, die biblische Kunde von der Botschaft und dem Wirken Jesu ihren Mitglieder verständlich und eindrucksvoll zu machen, denn ohne den neutestamentlichen Teil der Bibel kann dies nicht getan werden. Dabei sollen auch die Forschungsergebnisse moderner Bibelkritik unterstützend mitwirken.
Peter Lange
(nach einem Gedenkbeitrag von Hermann Ehmer im »Evangelischen Gemeindeblatt für Württemberg Nr. 37/2012)
Ich glaube
Ich glaube - dass der Acker, den wir pflügen
nur eine kleine Weile uns gehört.
Ich glaube - nicht mehr an die alten Lügen,
er wär auch nur ein Menschenleben wert...
Ich glaube - dass den Hungernden zu speisen
ihm besser dient als noch so kluger Rat...
Ich glaube - Mensch sein und es auch beweisen,
das ist viel nützlicher als jede Heldentat...
Ich glaube - dass man die erst fragen müsste,
mit deren Blut und Geld man Kriege führt.
Ich glaube - dass man nichts vom Krieg mehr wüsste,
wenn wer ihn will ihn auch am meisten spürt...
Ich glaube - dass die Haut und ihre Farbe
den Wert nicht eines Menschen je bestimmt.
Ich glaube - niemand brauchte mehr zu darben,
wenn auch der geben wird, der heut nur nimmt!
Ich glaube, diese Welt müsste groß genug,
weit genug, reich genug für uns alle sein.
Ich glaube - dieses Leben ist schön genug,
bunt genug, Grund genug sich daran zu erfreuen...
Walter Brandin
Text für den 31. Dez. im Jahresbegleiter 2012 »Weltverbunden leben - Reich-Gottes-Impulse für jeden Tag«, zusammengestellt von Dr. Claus Petersen, Fenestra-Verlag, Wiesbaden-Berlin