Es ist erst 35 Jahre her, dass in Sulz am oberen Neckar ein bedeutender Sohn der Stadt wiederentdeckt wurde: der 1848 dort geborene Kunst- und Orientmaler Gustav Bauernfeind. Die Wiederentdeckung hatte damit begonnen, dass der Besitzer eines Gemäldes mit der Signatur »Bauernfeind« auf die Suche nach der Herkunft des Künstlers ging und nach einigen Erkundigungen herausfand, dass Sulz der Geburtsort des Malers war. Dem heimatgeschichtlich interessierten Sulzer Bürger Hugo Schmid ist es zu verdanken gewesen, dass man es nicht bei der Feststellung des Geburtsortes beließ, sondern daraufhin auch nach Leben und Werk des Malers suchte.
Herr Schmid fand heraus, dass in Stuttgart eine Familie lebte, deren Wohnung voll von Bauernfeind-Gemälden war. Es handelte sich um die Wohnung der Großnichte des Malers, die seinen Nachlass übernommen hatte. So kam der Stein ins Rollen. Von diesem Tag an arbeitete Hugo Schmid nur noch an der Erforschung des Lebenswerkes des wiederentdeckten Künstlers. Er sammelte Infomationen darüber, wo es an anderen Orten noch Bilder Bauernfeinds gab, und erreichte es auch, dass einige Besitzer ihm eine Zusage für Leihgaben für eine geplante Ausstellung des Bauernfeind-Werkes machten.
In dieser Zeit erfuhr Herr Schmid von den Templern, dass Bauernfeind für ein Pracht-Album, das die schwäbischen Siedler ihrem verehrten Kaiser Wilhelm II. anlässlich seiner Palästina-Reise 1898 überreichen wollten, Bilder der damals bestehenden vier Siedlungen gemalt hatte. Der israelische Historiker Professor Alex Carmel von der Universität Haifa hatte die Idee, herauszufinden, ob dieses Album wohl noch existierte. Seine guten Beziehungen zum damaligen Vertreter des Hauses Hohenzollern, Prinz Louis Ferdinand, ergaben, dass ein Verbleib des Albums bei den Hohenzollern tatsächlich festgestellt werden konnte. Carmel erhielt das Pracht-Objekt danach als Geschenk übereignet, zumal er eine wissenschaftliche Arbeit über den Maler verfassen wollte.
Das Jahr 1990 zeichnete sich durch mehrere herausragende Ereignisse aus: am 16. Februar wurde zunächst im Alten Rathaus in Sulz im Beisein von Wissenschaftsminister Prof. Dr. Helmut Engler eine Gustav-Bauernfeind-Ausstellung eröffnet, dann wurde am 2. Oktober auf einem Empfang auf Burg Hohenzollern die großformatige Buchausgabe des Hauswedell-Verlages »Der Orientmaler Gustav Bauernfeind - Leben und Werk« feierlich vorgestellt. Darin hatte Prof. Carmel eine Schilderung des Lebens von Bauernfeind gegeben, während Hugo Schmid das künstlerische Werk des Malers vorstellte. Dieses Buch ist bis jetzt die ausführlichste Veröffentlichung über den Künstler.
Die Ausstellung im Alten Rathaus in Sulz wuchs durch Neuzugänge in den darauf folgenden Jahren ständig an, so dass bald der Status eines Kunstmuseums erreicht war und neue Räumlichkeiten an anderer Stelle in Sulz unumgänglich wurden. Von Seiten der Tempelgemeinde sind in der Vergangenheit immer wieder Gruppen von Interessierten nach Sulz gefahren und haben auf ihre Weise den Maler gewürdigt, der zwar religiös nicht mit den Templern verbunden war, jedoch bis zu seinem Lebensende 1904 in ihrer Nachbarschaft in der Deutschen Kolonie Rephaim bei Jerusalem gewohnt hatte. Bis heute werden die Grabstätten von ihm und seiner Ehefrau Elise auf dem Templer-Friedhof in Jerusalem von uns instandgehalten und gepflegt.
Der Initiator und nimmermüde Sammler Hugo Schmid lebt leider nicht mehr. Wie sehr hätten wir ihm gewünscht, dass er die Feier zum 25-jährigen Bestehen des Bauernfeindmuseums, zu der wir am 13. November vom Leiter des Museums, dem früheren Bürgermeister Peter Vosseler, in die Aula des Albeckgymnasiums nach Sulz eingeladen waren, noch hätte erleben können. Für ihn nahm seine Witwe Ilse Schmid Danksagungen und Ehrungen entgegen. Bei einem Umtrunk knüpfte sie an die Freundschaft an, die so viele Jahre zwischen ihrem Ehemann und der Tempelgemeinde bestanden hatte.
Auf die historische Arbeit von Prof. Carmel kam am Jubiläums-Abend Dr. Jakob Eisler zu sprechen mittels einer packenden Darstellung des Themas »Der Orientmaler Gustav Bauernfeind und die Templer«. Seine hervorragenden Ausführungen waren in meinen Augen so etwas wie eine Rehabilitierung des Malers, der von den damaligen Templern in Jerusalem ungerechterweise eher gemieden als anerkannt worden war. Manchmal erkennt man den Wert eines Menschen eben erst sehr viel später.
Peter Lange, TGD-Archiv