Treffpunkt - Gemeinde aktuell

Jahresrückblick 2008

Vortrag über Jugendkriminalität (11. April)

Wird die Jugend immer krimineller? Über diese Frage wurde am Abend des 11. April in unserem Gemeindesaal gesprochen. Oberkommissarin Katja Irmler vom Jugenddezernat des Polizeipräsidiums Stuttgart (Haus des Jugendrechts) erläuterte die statistische Entwicklung und ging auf die Definition der Jugendkriminalität, jugendspezifische Delikte und deren Ursachen ein. Ihr Kollege Uwe Stahlmann, Jugendsachbearbeiter beim Polizeirevier Degerloch, schilderte die konkrete Lage vor Ort.

Das Jugenddezernat des Polizeipräsidiums ist für ganz Stuttgart und für übergreifende Ansätze der Kriminalitätsprävention zuständig. Hier ist seit 1999 ein Programm für Jugendliche Intensivtäter und sogen. Schwellentäter angesiedelt. Jugendliche Intensivtäter sind Personen unter 14 Jahren, die bisher mit mehr als 10 Delikten oder 3 Gewaltdelikten auffielen, oder Personen über 14 Jahren mit mehr als 20 Delikten oder 5 Gewaltdelikten. Der Begriff »Schwellentäter« bezieht sich auf junge Menschen bis zum 17. Lebensjahr, die kurz davor stehen, zum Intensivtäter zu werden. Jugendspezifische Delikte sind Diebstahl, speziell Ladendiebstahl, Körperverletzung, Sachbeschädigung und Schwarzfahren.

Das Programm beinhaltet eine intensive Betreuung der jungen Menschen in Form regelmäßiger Treffen u.a. mit dem Jugendamt, Polizei, Staatsanwaltschaft, Jugendgerichtshilfe, Bewährungshelfern und Ausländeramt. Derzeit sind 69 Personen im Programm, davon 5 Mädchen. Dieses Programm zeigt nach den Worten von Frau Irmler bereits Wirkung; die Zahl der Jugendlichen Intensivtäter sei in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen, aus Degerloch sei zur Zeit niemand im Programm.

Die Referenten versäumten nicht, darauf hinzuweisen, dass für Jugendliche der Anpassungsprozess in die Gesellschaft nicht selten konfliktbehaftet und mit Verstößen gegen Rechtsnormen verbunden sei. Jugendkriminalität sei im statistischen Sinne »normal«. Sie verlaufe jedoch vorwiegend episodenhaft begrenzt auf einen Lebensabschnitt. Die meisten straffällig gewordenen Jugendlichen begännen keine kriminelle Karriere, sie kämen einmal mit dem Gesetz in Konflikt und danach nicht mehr.

Schließlich dürfe auch nicht die Lockerung gesellschaftlicher und familiärer Bindungen als Ursache problematischer Entwicklungen verschwiegen werden. Oft erführen junge Menschen Gewalt am eigenen Leib, mangelnde Fürsorge im Elternhaus, soziale Benachteiligung, Drogen- und Alkoholkonsum, Einbindung in gewaltorientierte Gruppen, aber auch Migration mit entsprechenden Anpassungsproblemen. Viele typische Jugenddelikte wie Ladendiebstahl oder Schwarzfahren entpuppten sich bei näherer Betrachtung als »Mutproben« aufgrund des Gruppendrucks in einer Clique.

Die Zahl der jugendlichen Gewalttäter unter 21 Jahren stieg 2007 gegenüber dem Vorjahr um 11 Prozent an; dies liege nach Ansicht der Referenten auch daran, dass diese Straftaten vermehrt angezeigt würden, z.B. Prügeleien in der Schule oder auf dem Heimweg. Kommissar Stahlmann berichtete über seine Gespräche mit auffälligen Jugendlichen in Degerloch und äußerte sich insgesamt skeptisch zu den Aussagen der polizeilichen Kriminalstatistik. Aus seiner (subjektiven) Sicht sei die Jugend früher auch nicht besser gewesen, nur würden die Medien heutzutage intensiver über jede Art von Kriminalität berichten. Vieles werde unnötig dramatisiert.

Es war ein sehr interessanter und informativer Abend, der uns zeigte, dass die Jugend doch nicht so schlecht ist, wie es oft in den Zeitungen steht. Sicher war es früher so, dass die Jugend z.B. in der Straßenbahn den Erwachsenen häufiger einen Sitzplatz anbot; heute ist dies nicht automatisch der Fall, aber wenn ich darum bitte, wird mir immer ein Platz angeboten. Auch stellt sich die Frage: wo können und dürfen Kinder heute noch toben? Oft fühlen sich diese Jugendlichen allein gelassen und sind nur in der Gruppe stark.

Zum Schluss noch einen Dank an Jörg, der immer wieder so kompetente Referenten zum Freitagabend-Treff findet.

Roswitha Wessner

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