Unser erster Freitagabendtreff im neuen Jahr fand am 25. Januar im Gemeindehaus in Degerloch statt. Das Thema: Die Schokoladenseite der Moral. Jörg Klingbeil hatte für die Veranstaltung Dr. Horst-Henning Grotheer als Referenten gewonnen. Er ist der Vorsitzende des Vereins »Degerloch fair«, das ist der Trägerverein des Weltladens in der Rubensstraße. Herr Dr. Grotheer erläuterte uns am Beispiel des Kakaos, wie das Produkt über den »Fairen Handel« in die Weltläden kommt. Zuerst zeigte er uns Bilder vom Anbau der Kakaobäume und der Ernte der Kakaobohnen. Erntemaschinen können nicht eingesetzt werden, da die Kakaofrucht nicht zu einer gewissen Zeit reift, sondern permanent blüht und Frucht trägt. Wenn sie reif sind, müssen die Früchte einzeln mit einem Hackmesser von Hand geerntet werden. Bei dieser mühseligen Arbeit werden oft Kinder in den Plantagen eingesetzt. Der Kakao wächst ausschließlich in den feuchten Tropenwäldern des Äquatorgürtels unserer Erde.
Der Rohstoff wird aus den armen Ländern an die Industriestaaten geliefert. Diese führen die Veredelung Kakao - Schokolade etc. durch. Weltläden sind Fachgeschäfte für fairen Handel. Das bedeutet, die Erzeuger erhalten langfristige Verträge mit fairen Preisen, die ihnen ein Leben in Würde ermöglichen.
Das ist gar nicht so selbstverständlich, wie es klingen mag. Die Erlöse für viele Produkte aus der sogenannten Dritten Welt sind im freien Welthandel so niedrig, dass die Erntearbeiter kaum davon leben können. Kaffee, Kakao und Orangensaft werden an internationalen Rohstoff-Börsen gehandelt. Auf die Preise haben die Produzenten keinerlei Einfluss. Beim Fairen Handel dagegen werden Mindestpreise gezahlt, die von den Preisschwankungen auf dem Weltmarkt unabhängig sind. Neben langfristigen Handelsbeziehungen werden außerdem Vorfinanzierungen, Mikrokredite und Unterstützung bei der Weiterentwicklung der Produkte geboten, damit die Erzeuger einen größeren Teil der Wertschöpfungskette für sich behalten können. Auf der anderen Seite werden aber auch Standards - z.B. hinsichtlich Arbeits- und Umweltbedingungen - verlangt und überwacht. Somit unterstützen Fair Trade Handelsorganisationen die in der Regel kleinbäurerlichen Produzenten und deren Heimatländer aktiv. Dr. Grotheer berichtete von zahlreichen Beispielen bei denen durch den Fairen Handel der Bau von Straßen, Schulen, Gesundheitszentren und Trinkwasserbrunnen ermöglicht wurde. Durch die Unterstützung von Kooperativen, die selbst über diese Projekte bestimmen, trägt er auch zur Demokratisierung bei.
In Deutschland gibt es mittlerweile etwa 800 Weltläden. Sie beziehen ihre Verkaufsware in der Regel von verschiedenen auf fairen Handel spezialisierten Importorganisationen wie dwp, GEPA, el Puente usw.. Daneben gibt es Organisationen wie Transfair e.V., die den Handel der Erzeugnisse überprüfen und mit einem Siegel versehen, an dem der Verbraucher fair gehandelte Produkte erkennen kann. Seit 2003 gibt es das international einheitliche Siegel »Fairtrade«. Aber nicht nur Weltläden, sondern mittlerweile auch Supermärkte (z.B. Lidl mit der eigenen, aber von Transfair lizensierten Marke »Fairglobe«) vertreiben Waren aus fairem Handel. Trotz der hierdurch zurückgehenden Umsatzmöglichkeiten für die Weltläden, die dies durch andere Produkte wie etwa Kunsthandwerk kompensieren müssen, ist der Einstieg der Discounter in den Fairen Handel aus Sicht der Erzeugerländer zu begrüßen.
Der Vortrag von Dr. Grotheer hat deutlich gemacht: durch sein Kaufverhalten kann der Verbraucher direkt die Menschen in den armen Ländern unterstützen und zu etwas mehr Gerechtigkeit in den Welthandelsstrukturen beitragen.
P.S. Weitere Informationen finden sich zum Beispiel auf dem Internetportal des Fairen Handels in Deutschland.