Zum Freitagabendtreff am 23. Mai gab es ein Vergnügen besonderer Art: der Vater unseres hochgeschätzten Saal-Architekten, Herr Rudolf Ziegler, Imker und Mitglied des Stuttgarter Bienenzuchtvereins, hatte angeboten, uns etwas über Bienen und Bienenhaltung zu erzählen. Leider waren nicht sehr viele Zuhörer gekommen, allerdings neben der templerischen Stammbelegschaft mehr Außenstehende als sonst, die am Thema interessiert waren. Vielleicht wirkte es sich ungünstig aus, dass es gleichzeitig im Haus des Waldes beim Fernsehturm einen Vortrag über Bienen gab. Ich denke aber, dass die, die zu uns kamen, das bessere Los gezogen haben, vor allem deshalb, weil Herr Ziegler eine Beute - ein Kasten, in dem etwa 10 Wabenplatten eingehängt sind, samt einer Schauplatte mit Bienen - mitgebracht hatte, um die wir nachher herumstehen und in aller Ruhe die Bienen bei der Arbeit beobachten konnten, was das Gehörte lebendig machte. Bei einem größeren Publikum wäre das schwierig gewesen.
Zunächst aber erzählte Herr Ziegler vom Leben der Bienen. Obwohl ich glaubte, die wichtigsten Fakten zu kennen, war ich fasziniert von der unglaublichen Arbeitsleistung der Bienen (für ein Pfund Honig müssen sie zusammengenommen dreimal um die Erde fliegen!), vor allem aber von ihrer angeborenen Fähigkeit, eine hochkomplexe »Staatsordnung« zu bauen und aufrechtzuerhalten.
In der Natur bauen sie sich ihren Stock, ihr »Haus«, selbst, in perfekt sechseckigen Waben, aus selbst gefertigtem Material: sie schwitzen an der Unterseite Wachsplättchen aus, das andere Bienen abnehmen und zu Waben fügen. Diese dienen z.T. als sichere Behausung für den Nachwuchs, z.T. als Vorratsspeicher für Honig und Pollen, Nahrung für den Nachwuchs und für den Winter. Ist eine Wabenzelle voll, wird sie mit einem Wachsdeckel verschlossen.
Dass nur die Königin für den Nachwuchs sorgt, weiß man natürlich; weniger, dass sie erst durch die Fütterung mit besonders wertvoller Nahrung, dem »Gelée Royal«, zur Königin wird. Nach 17 Tagen ist sie geschlechtsreif, geht mit den Drohnen, den männlichen Bienen, auf Hochzeitsflug, da die Begattung nur im Flug stattfindet, und legt nach der Rückkehr jeden Tag bis zu 2000 (bereits befruchtete) Eier, und das 5-6 Jahre lang. Arbeitsbienen sterben schon nach ca. 50 Tagen, Drohnen kurz nach der Begattung. Da der Stock ohne Königin aussterben würde, werden gegen Ende dieser Zeit eine oder mehrere Königinnen angefüttert. Schlüpft eine davon, zieht entweder die alte Königin mit dem größten Teil des Stockes aus, oder es kommt zu einem Kampf auf Leben und Tod zwischen den Rivalinnen. Dieses versucht der Imker zu vermeiden, indem er die Anfütterung verhindert bzw. die Königin ersetzt, bevor die alte ausfliegt.
Im Stock leben außer der Königin mehrere tausend Arbeitsbienen und wenige hundert Drohnen. Es herrscht strikte, nach dem Lebensalter geregelte Arbeitsteilung. Die jüngsten Bienen müssen die frei gewordenen Waben reinigen, dann werden sie »Ammen«, die die Brut füttern, dann Flugbienen, die Nektar und Pollen heranschaffen, dann Wachsoldaten, die das Flugloch bewachen, und schließlich Wehrsoldaten, die den Stock verteidigen, d.h. durch Stechen eventuelle Feinde vertreiben. Die Bienen »wissen«, wie viele von jeder Sorte gebraucht werden, und richten sich danach.
Am wichtigsten sind Bienen für uns nicht wegen des Honigs, sondern weil von ihnen die Bestäubung vieler unserer Blütepflanzen abhängt. Sie holen sich, als Nahrung für sich und die Brut, den Nektar, den kleine Drüsen am Grunde der Blüten ausscheiden, und dabei bleibt der Pollen der Staubfäden an ihren fein behaarten Beinen hängen. Beim Besuch der nächsten Blüte bleibt ein Teil dieses männlichen Samens an der Narbe, dem oberen Teil des Fruchtknotens, in der Blüte hängen und befruchtet diesen so. Dass das so gut funktioniert, hängt damit zusammen, dass Bienen - in der jeweiligen Blütezeit - immer ein und derselben Pflanze treu bleiben. So wird der transportierte Pollen optimal genutzt - Apfelpollen auf einer Rapsblüte würden gar nichts bewirken.
Haben einige Bienen eine gute Futterstelle gefunden, teilen sie das, einschließlich des Standorts, durch einen komplizierten - vom Menschen bisher nicht verstandenen - Formationstanz den anderen Bienen mit. Die fliegen dann auch aus, orientieren sich dabei an der Sonne und kalkulieren den wechselnden Sonnenstand ein - etwas, wozu kein Mensch fähig wäre.
Honig machen die Bienen, indem sie Nektar und Pollen mit körpereigenen Stoffen vermischen. Je nach der angeflogenen Pflanzenart bekommt er einen eigenen Geschmack - beim dunkleren, flüssigeren Waldhonig wird statt des Nektars die süße Ausscheidung der Läuse eingesammelt, die auf den Tannenzweigen sitzen.
Sind etwa zwei Drittel einer Wabenplatte gedeckelt, ist sie »reif« - im restlichen Drittel saß die in-zwischen geschlüpfte Brut. Dann wird durch Schleudern der Honig herausgeholt und die Platte wieder eingehängt, die Bienen selbst reinigen sie sorgfältig. Und da sie nun keinen Wintervorrat mehr haben, sammeln sie eifrig weiter. Der Imker, der ihnen immer wieder den Honig wegnimmt, muss sie deshalb im Winter regelmäßig mit Zuckerwasser füttern.
Es war faszinierend, diese ganzen hochkomplexen Zusammenhänge ein bisschen besser verstehen zu lernen. Aber der Höhepunkt war doch der persönliche Augenschein: die offenen und gedeckelten Waben, das Wuseln der Bienen, die staubartigen schwarzen Spuren auf dem Holzrand der Beute, wo die Bienen den herausgeholten »Dreck« abgelegt hatten, und die Königin, die die leeren Waben inspizierte, ob sie sauber genug seien für das nächste Ei.
Es war ein sehr interessanter und vergnüglicher Abend - vielen Dank an Herrn Ziegler und seinen »Bienenfreund« Herrn Stesel, die ihn uns beschert haben!