Die Warte des Tempels
Monatsschrift für offenes Christentum

Ausgabe 181/10 - Oktober 2025

 

 

Grund zur Dankbarkeit? - Karin Klingbeil

„Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, ...“ - Karin Klingbeil

Albert Schweitzer und sein zeitgemäßes Verständnis Gottes - Dr. Andreas Rössler

„Beten mit den Füßen“ - Ines Fischer

Die Collage der TSA-Ältesten - Karin Klingbeil

Grund zur Dankbarkeit?

Am 5. Oktober feiern wir in diesem Jahr wieder unser Dankfest und wollen unsere Herzen auch für unseren ganz persönlichen Dank öffnen. Wenn wir an unsere reich geschmückte Dankfest-Dekoration denken - früher noch reichhaltiger als in den letzten Jahren - drücken wir damit unseren Dank nicht nur für die Fülle an Obst und Gemüse aus, zu der wir hier in Europa problemlos Zugang haben. Wir Templer nehmen diesen Dank an diesem Datum traditionell außerdem immer zum Anlass, auch für alles Weitere zu danken, das nicht mit den Händen zu greifen ist und uns - vielleicht noch mehr als Greifbares - glücklich macht. Dabei hat die über­wältigende Farbenpracht von Blumen, Obst und Gemüse, die wir Jahr für Jahr beim Dankfest arrangieren, auch eine symbolische Aussage. All diese Dinge stehen nicht nur dafür, dass sie uns satt machen, sondern auch für die Schönheit und die unglaubliche Vielfalt, die die Natur hervorbringt. Sie stehen dafür, dass wir schlicht Freude daran haben und auch dafür, dass je­mand sie hergebracht und gespendet hat und dafür, dass wir nach unserer Templertradition am Ende der heutigen Zusammenkunft diese Gaben verteilen, miteinander teilen. Ist das nicht schon Grund zur Dankbarkeit?

Denken wir in diesem Zusammenhang an frühere Zeiten zurück, müssen wir uns vergegen­wärtigen, was den Menschen der damaligen Zeit eine gute Ernte, und noch viel mehr eine schlechte Ernte bedeutet hat. Eine Vorstellung davon bekommt man in den diversen Bauern­hausmuseen, wo ein Thema den Besucher von Haus zu Haus begleitet: die permanente Mangelernährung und die Schwierigkeit, überhaupt den Winter zu überstehen, zumal, wenn es eine schlechte Ernte gegeben hatte. Die Bewohner hingen mit ihrem Leben und dem ihrer Kinder noch ganz direkt und unmittelbar vom Erntesegen ab.

In einem Haus im Bauernmuseum Wolfegg beispielsweise ist eine Dauerausstellung über die Schwabenkinder zusammengestellt; neben Büchern gibt es auch einen Film darüber. Da­bei handelt es sich um Kinder aus so armen Familien aus alpinen Regionen wie Vorarlberg, Tirol, Südtirol und der Schweiz, dass die Eltern sich nicht anders zu helfen wussten, als eines oder gar mehrere ihrer zahlreichen Kinder - im Alter zwischen fünf und vierzehn Jahren! - ins Schwäbische zu schicken, wo sie über die schneefreie Sommerzeit als Hütejungen, Knechte und Mägde arbeiten mussten. Hintergrund war auch hier der äußerst geringe Bodenertrag, mit dem die meist große, kinderreiche Familie nicht satt zu bekommen war. Man schätzt, dass zum Höhepunkt dieser Maßnahme im 19. Jahrhundert jährlich fünf- bis sechstausend Kinder auf Höfen in der Fremde arbeiten mussten, nachdem sie auf sogenannten Kindermärkten an Bauern vermittelt worden waren.

Diese Zeiten sind glücklicherweise Geschichte. Uns allen geht es heute unendlich viel bes­ser. Aber auch heute, auch in Deutschland, sind 17,6 Millionen Menschen - also 20,9 % der Bevölkerung - von Armut bedroht. Gehen wir noch weiter weg, schauen wir in die Länder der sogenannten dritten Welt, lebt ein bedeutend größerer Teil der dortigen Bevölkerung in großer Armut, einer Armut, die noch viel essentieller ist als die in unserem Land. Können wir uns angesichts dieser krassen Ungleichverteilung des Wohlstands freuen und fröhlichen Herzens dankbar sein? Fragen wir uns nicht manchmal, warum es gerade uns so gut geht und so vie­len anderen nicht?

Dennoch: wir leben in bedrückenden Zeiten, die uns nicht unbeschwert dankbar sein lassen: der Ukrainekrieg ist nach drei Jahren noch nicht zu einem Ende gekommen - vielmehr sieht es noch lange nicht danach aus, dass es dort zu einem Frieden kommen könnte. Die Meldungen über diesen Konflikt sind stark zurückgegangen, nur als in der letzten Zeit die historisch schwersten Angriffe Russlands mit einer unglaublichen Anzahl von Drohnen Nacht für Nacht auf die Ukraine niedergingen, erreichten diese Meldungen wieder die Medien. Wir können uns vorstellen, wie es den Menschen in dem bedrängten Land geht - der bewunde­rungswürdige Widerstand weicht zunehmender Kriegsmüdigkeit, die ständigen Luftalarme, die schlaflosen Nächte in den Schutzräumen, der Verlust von Familienmitgliedern und Freunden und erlebte Grausamkeiten zermürben die Menschen.

Dazu ist auch noch der auf grausamste Art militärisch ausgetragene Konflikt zwischen Israel und der Hamas gekommen - das schreckliche Blutvergießen, die über 65.000 Toten und mehr als 165.000 Verletzten seit dem 7. Oktober 2023 im Gazastreifen sind ein niederdrückendes Geschehen, ganz abgesehen von der Aussichtslosigkeit, in der die palästinensische Bevölke­rung hin und her gescheucht und dann doch beschossen wird, dazu die Mangelversorgung und der Hunger. Diese Lebensumstände, unzählige Todesfälle in jeder Familie - wie geht es uns, wenn wir das nachempfinden?

Und noch ein Drittes: die Flüchtlinge bei uns - aktuell leben bei uns 3,3 Millionen Schutz­suchende aus verschiedensten Ländern. Niemand verlässt die Heimat ohne triftigen Grund, auch wenn es ‚nur‘ um die Hoffnung auf ein besseres Leben mit ausreichend Nahrung und vielleicht Arbeit geht. Dass wir nicht alle Flüchtlinge, die zu uns kommen wollen, aufnehmen können, ist keine Frage, aber der Wechsel in der Politik - Wahlversprechen, um der AfD das Wasser abzugraben - ist bedenklich, teilweise unmenschlich. Tausende sitzen in Abschiebe­haft - teilweise unberechtigt -, und nun will die Politik ihnen den gesetzlich zustehenden juristi­schen Beistand streichen. Unzählige haben in ihren Heimatländern durch Krieg, Verfolgung und Folter und/oder auf ihrer Flucht traumatische Erlebnisse gehabt, etliche von ihnen brau­chen dringend psychosoziale Hilfe. Andere können nachts nicht schlafen aus Angst, dass die Polizei kommt und sie abgeschoben werden. Ich glaube, wir können uns nur schwer vorstel­len, wie diese Menschen unter uns in ihren Sammelunterkünften leben.

Und das sind nur die Themen, die uns nahe sind - Bürgerkriege und bewaffnete Konflikte gibt es permanent auf der Welt.

Können wir da dankbar dafür sein, dass es uns gut geht?

Wenn diese und ähnliche Gedanken unser Lebensgefühl beeinträchtigen, dann hat das auch den Grund, dass wir starke Befürchtungen haben, Befürchtungen vor einer Depression, vor den Auswirken von Trumps Politik auf uns, vor der Bedrohung durch Drohnen, vor einem Krieg. Aber gegen diese Befürchtungen können wir nichts machen, die müssen wir aushalten - und bedenken, dass Millionen Menschen mit täglichen Bedrohungen leben, die viel realer sind als unsere.

Dieses nach unseren Maßstäben sinnlose Leiden auf unserer Welt veranlasst so manchen zu der immer wieder gestellten Frage, wie ein gütiger Gott das zulassen kann? Auf diese alte Frage gibt es nur zwei alte Antworten: Wir dürfen das, was Menschen einander antun, nicht Gott anrechnen. Er hat uns Menschen Freiheit gegeben, damit wir uns entwickeln und zu unserer Bestimmung gelangen können - und diese Freiheit beinhaltet auch die Freiheit zum Bösen, zum menschenverachtenden Tun.

Die zweite Antwort richtet sich auf die Frage nach dem Sinn dessen, was geschieht. Darauf können wir aber überhaupt keine Antwort geben - wir können nur versuchen, Ursachenketten zu ergründen. Auf naturwissenschaftlichem Gebiet gelingt uns das immer exakter - und bleibt doch immer bruchstückhaft -, auf psychischem und sozialem Gebiet, das mit Menschen zu tun hat, wird es wohl unvollkommen bleiben.

Aber auch das Ergründen von Ursachenketten wird die Frage nach dem Sinn nicht beant­worten - oder nur so, wie es der Prophet Jesaja (50,8-9) schon vor zweieinhalbtausend Jahren ausgedrückt hat: „Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR. Ja, so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.“ Schon die Tatsache, dass in der Naturwissenschaft jede Erkenntnis neue Fragen aufwirft, zeigt uns, wie bruchstückhaft unser Erkennen und wie begrenzt unser Denken ist. Wenn wir durch unsere Sinne schon nur einen Bruchteil der Wirklichkeit erfassen können, und das, was ist, nur schwer in seiner Vollständigkeit erfassen können, dazu unser Denken in Kategorien begrenzt ist, so gilt das in noch höherem Maße für Entwicklungen. Wir können nie wissen, zu welchem Guten oder welchem Bösen sie führen (z.B. Kernspaltung) - und auch unsere Kategorien von Gut und Böse sind relativ.

Wir sollten uns lieber fragen, was in unserem Leben wesentlich ist und ihm Sinn gibt. Direkt nach unserem Templermotto in der Bergpredigt „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.“ steht der Satz: „Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen.“ Das drückt ein großes Gottvertrauen aus: dass wir getrost in jeden neuen Tag gehen sollen im Vertrauen auf Gott - in dem Bewusstsein nicht, dass er uns vor jedem Leid bewahrt, sondern uns die Kraft gibt, es zu bestehen. Das bringt uns vielleicht auch wieder an den Punkt, an dem wir sehen, für wie viel wir dankbar sein können. Dankbarkeit empfinden wir, wenn wir etwas, das uns betrifft, als Geschenk betrachten, als etwas, das wir uns nicht selber verschafft haben. Da ist unser Le­ben, sind unsere Familie und Freunde, da ist unsere Gemeinde, die Natur, die unsere Lebens­grundlage sichert und uns mit ihrer Schönheit und unfassbaren Vielfalt erfreut und staunen lässt - und alles, was uns an Liebem und Gutem von unseren Mitmenschen geschieht.

Das und vieles, das ich gar nicht alles aufzählen kann, ist Grund für unsere Dankbarkeit - und auch, wenn Dankbarkeit oft ein unmittelbares, emotionales Gefühl ist, können wir über das Nachdenken zum Danken kommen: „Wer denkt, der dankt“ - eine Aussage, die wir auch schon einmal als Dankfestmotto hatten.

Karin Klingbeil

BIBELWORTE - KURZ BETRACHTET

„Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt.“

1. Korinther 12,7

Diese Aussage von Paulus gehört zu seiner Ansprache an die von ihm gegründete Gemeinde in Korinth, in der sich rivalisierende Gruppen gebildet hatten. Im vorliegenden Brief greift Pau­lus diverse Problemfälle auf, spricht Missstände im Gottesdienst an und geht auf die Frage ein, wie die einzelnen Geistesgaben zu bewerten seien. Diesbezüglich hatte sich in der Gemeinde von Korinth eine Art ‚Gabenranking‘ etabliert, so dass einige sich mit ihren Ämtern und Begabungen höher schätzten als andere. Sehr grundsätzlich erklärt Paulus dazu, dass es verschiedene Gaben gibt, die ein und derselbe Geist zuteilt, dass es verschiedene Dienste gibt, zu denen ein und derselbe Herr fähig macht, und dass es verschiedene Wunderkräfte gibt, die ein und derselbe Gott, der alles in allen wirkt, schenkt. Doch die Gaben, Dienste oder Wunderkräfte eines jeden Gemeindeglieds haben das Ziel, dass alle etwas davon haben, dass sie anderen nützen.

Das bedeutet aber, dass es wichtig ist, um die eigenen Gaben zu wissen, dass diese Gaben alle den gleichen Wert haben und dass wir diese Begabungen nicht für uns selbst, sondern zum Nutzen aller haben.

Ich habe mal von der Übung einer Religionslehrerin in einer Schulklasse gelesen, die folgendermaßen aussah: jedes Kind bekam einen Zettel auf dem Rücken befestigt, auf dem stand: Ich kann gut: ... Nun hatten alle die Aufgabe, den anderen - anonym - auf den Rücken zu schreiben, was er oder sie in ihren Augen gut kann und bei jedem Kind sollte etwas auf dem Zettel stehen. Schließlich, beim Durchlesen der Zettel, herrschte eine besondere Stimmung. Die Lehrerin empfahl den Kindern, diese Zettel aufzuheben und wann immer sie meinten, dass ihnen etwas nicht gelänge oder man ihnen sagte, sie könnten nichts, nochmals lesen, welche Begabungen andere bei ihnen wertgeschätzt hatten, denn wir alle sind in irgend­einer Weise von Gott begabt, und weil das so ist und für alle gilt, hat auch keine Begabung einen höheren Wert als eine andere.

Wichtig ist dabei aber auch, dass wir diese Gaben nicht allein für uns selbst haben - zur eigenen Profilierung oder um sein Schäflein ins Trockene zu bringen -, nein, wir sollten uns fragen, wie wir unsere Begabungen zum Wohle aller einsetzen können. Denn wenn alle in einer Gemeinschaft all ihre Begabungen einbringen, dann kommt es dem Wohl aller zugute und die Gemeinschaft kann aufblühen.

Karin Klingbeil

Albert Schweitzer und sein zeitgemäßes Verständnis Gottes

Zehn Leitgedanken, 3. Teil

(6) Die Rätselhaftigkeit Gottes im Weltgeschehen

Eine der bleibenden, aber offensichtlich unlösbaren religiösen Grundfragen ist die nach der „Theodizee“: Wie kann ein alles bedingender und dabei gütiger, barmherziger Gott all das Leiden und das Böse in der Welt zulassen, wenn nicht gar selbst bewirken, oder wenigstens darin mitmischen? Das passt doch nicht zusammen: Ist Gott mächtig, dann angesichts der Dunkelseiten der Welt anscheinend nicht gütig. Oder ist er gütig, dann scheint er die Dunkel­seiten nicht verhindern zu können und ist anscheinend nicht mächtig. Diese Theodizee-Frage stellt sich freilich nur von der Voraussetzung her, dass Gott als gütig und barmherzig verstan­den wird. Wird der Grund der Welt dagegen verstanden als blinde Kraft, als bloßes Schicksal, das alles zermalmt, oder als reine Willkür, dann wird Gott nicht als gütig und barmherzig verstanden und dann macht die Theodizee-Frage auch keinen Sinn.

Weil Schweitzer davon ausgeht, dass der Grund der Welt als Wille der Liebe zu glauben ist, stellt er sich der Theodizee-Frage. Da Gott aber alles menschliche Verstehen übersteigt, ste­hen wir vor unlösbaren Rätseln, was sein Wirken in der Welt betrifft. Die Rätselhaftigkeit, die Unbegreiflichkeit Gottes beschränkt sich aber nicht auf das Leiden, das Zerstörerische und das Böse in der Welt. Es betrifft überhaupt das Verständnis des alles menschliche Denken und Begreifen sprengenden, immer größeren Gottes. Eine biblische Kernaussage, die Schweitzer in diesem Zusammenhang öfters zitiert oder streift, ist Jes 55,8-9: „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr, sondern soviel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken“. Dazu kommt 1. Kor 13,9: „Unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk.“

Eine zentrale theologische Aussage Schweitzers greift hier weit über die Theodizee-Frage aus und ermutigt dazu, auch die anderen bleibenden religiösen Rätsel als solche stehen zu lassen: „Wer erkannt hat, dass die Idee der Liebe der geistige Lichtstrahl ist, der aus der Unendlichkeit zu uns gelangt, der hört auf, von der Religion zu verlangen, dass sie ihm ein vollständiges Wissen von dem Übersinnlichen biete. Wohl bewegt er die großen Fragen in sich, wie in Gott, dem Urgrund des Seins, der Schöpferwille und der Liebeswille eins sind, in welchem Verhältnis das geistige und das materielle Leben zueinander stehen und in welcher Art unser Dasein vergänglich und dennoch unvergänglich sei. Aber er vermag es, sie dahingestellt sein zu lassen, so schmerzlich ihm der Verzicht auf die Lösung ist. In dem Wissen vom geistigen Sein in Gott durch die Liebe besitzt er das Eine, was Not tut.“

Ein Problem bei dieser Rätselhaftigkeit ist die unauflösbare Spannung zwischen Gottes Wirken in der Welt einerseits und unserem Wirken in der Welt andererseits: Das Evangelium Jesu „muss daran festhalten, dass Gott der Inbegriff aller in der Welt wirkenden Kräfte ist, das heißt, dass alles, was ist, in Gott ist. Zugleich aber [...] nimmt das Christentum alle Schwie­rigkeiten des Dualismus auf sich, ist ethischer Theismus und erfasst Gott als einen Willen, der anders ist als die Welt und der mich zwingt, anders zu sein als die Welt.“

Und dann folgt Schweitzers berühmtes Golfstrom-Gleichnis (bei dem uns die Frage nach seiner physikalischen Korrektheit hier nicht abzulenken braucht): „Es gibt einen Ozean. Kaltes Wasser, unbewegt. In dem Ozean aber ist der Golfstrom, heißes Wasser, das vom Äquator zum Pole fließt. Fragen Sie alle Gelehrten, wie es physikalisch vorstellbar ist, dass zwischen den Wassern des Ozeans, wie zwischen zwei Ufern, ein Strom heißen Wassers fließt, bewegt in dem Unbewegten, heiß in dem Kalten. Sie können es nicht erklären. So ist der Gott der Liebe in dem Gott der Weltkräfte eins mit ihm und doch so ganz anders als er. Von diesem Strome lassen wir uns ergreifen und dahintragen.“

Man darf nicht so tun, als würde und wolle die Religion alle Welträtsel und alle Geheimnisse Gottes erklären. Missionaren, vor denen er 1922 in Selly Oak bei Birmingham Vorlesungen zum Thema „Das Christentum und die Weltreligionen“ hält, schreibt er ins Stammbuch: „Wenn Sie das Evangelium verkündigen, hüten Sie sich, es als die Religion zu predigen, die alles erklärt.“ Er veranschaulicht das an seinen Konfirmanden in Straßburg, die nach dem Ersten Weltkrieg aus dem Krieg heimkehren durften: „Nach dem Kriege kamen welche zu mir und dankten mir, dass ich sie so bestimmt gelehrt hätte, dass Religion nicht etwas sei, das alles erkläre. Dadurch seien sie davor bewahrt worden, im Schützengraben wie so viele, die auf das Unerklärliche nicht vorbereitet waren, das Christentum von sich zu werfen. Wenn Sie predigen, führen Sie die Menschen aus dem Alles-erkennen-Wollen zu dem einen, was not tut, zu dem Wollen des Seins in Gott, durch das wir anders werden als die Welt und, als aus der Welt Er­löste, über allen Rätseln stehen.“

Das menschliche Denken muss zwar „in alle Rätsel des Seins hineinschauen, die sich dem Denken auftun und es beunruhigen. Zuletzt aber darf es alles Unerkennbare dahingestellt sein lassen und den Weg gehen, Gottes als des Willens der Liebe gewiss werden zu wollen und in ihm Frieden und Betätigung zu finden.“

Man mag fragen, ob uns Gott als „der Wille der Liebe“ immer so gewiss sein kann und ob da nicht auch zuweilen Zweifel aufkommen. Kann Schweitzers „erkenntnistheoretischer Agnosti­zismus“, der eben vieles als unerforschlich, unerklärbar, unerkennbar stehen lässt, nicht auch den Glauben an Gottes Liebe, an seine Güte und Barmherzigkeit verunsichern? Schweitzer wird nicht bestreiten, dass die „innerliche Offenbarung“ Gottes in uns auch von der geschenk­ten Gewissheit in den ernsthaften, ehrlichen Zweifel umschlagen kann. Aber letztlich, so sieht er es, schenkt das „geistige Einswerden“ mit Gott als dem „Willen der Liebe“ inneren Frieden, innere Freiheit, sowie den Blick und die Kraft zum Tun des Guten.

(7) Ehrfurcht vor dem Leben

Die „Ehrfurcht vor dem Leben“ ist die zentrale Losung und Lehre Schweitzers. Sie verdankt sich einer religiösen Urerfahrung Schweitzers, die ihm, als eine Art Vision, im September 1915 zuteil wurde, während einer ärztlichen Dienstfahrt auf dem Ogowefluss, als er auf einer Sand­bank vier Nilpferde mit ihren Jungen sah, die sich in derselben Richtung wie sein Schleppkahn bewegten. Nie zuvor hatte er seiner Erinnerung nach diese Wendung „Ehrfurcht vor dem Leben“ gehört (sie ist aber doch nicht seine Erfindung!). Seine Erläuterung dazu lautet „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“ Weiterhin geht es fundamental um gut und böse. Schweitzer führt aus: „Die Grundidee des Guten besteht darin, dass sie gebietet, das Leben zu erhalten, zu fördern und zu seinem höchsten Wert zu steigern; und das Böse bedeutet: Leben vernichten, schädigen, an seiner Entwicklung hindern.“

Diese religiöse Urerfahrung Schweitzers passt zu einer anderen, früheren, etwa aus dem Jahr 1882 oder 1883. Ein Schulkamerad wollte ihn eines Sonntagmorgens dazu verführen, mit einer Gummischleuder auf Vögel zu schießen. Als er widerstrebend dazu anlegte, fingen die Kirchenglocken an zu läuten. Schweitzer legte die Schleuder weg und verscheuchte die Vögel. Das Läuten war für ihn „eine Stimme aus dem Himmel“, die ihm das Gebot „Du sollst nicht töten“ „ins Herz läutete“.

Nun lassen sich an Schweitzers Lehre der „Ehrfurcht vor dem Leben“ sicher einige Einzel­heiten kritisieren. Man kommt nicht um eine gewisse anthropozentrische Anwendung dieser Ehrfurchtslehre herum. Die Menschheit hätte sich gar nicht entwickeln können, wenn sie sich nicht vor Raubtieren geschützt hätte. Und auch ohne die Jagd nach tierischer Nahrung hätte es kein Überleben gegeben. Man wird nicht in gleicher Weise wie einen Menschen, etwa ein hilfloses Kind, einen Ameisenhaufen in der eigenen Wohnung beschützen wollen und können. Eine strikt vegetarische oder gar vegane Ernährung wird für breitere Bevölkerungskreise nicht möglich sein, und Schweitzer selbst war kein konsequenter Vegetarier. Man kann nicht jeden dazu verpflichten, sich einen Hund, eine Katze oder ein anderes Haustier zu halten. Im Sinn Schweitzers ist es aber erforderlich, Tieren nicht unnötig Schmerzen zu bereiten. Man wird nicht ein Menschenleben, das von qualvollsten Schmerzen geplagt ist, um jeden Preis uner­träglich in die Länge ziehen. Bakterien und Viren, die tödliche Krankheiten verursachen, muss man vernichten, auch wenn sie selbst lebendige Wesen sind.

Heutzutage ist es angesichts des Klimawandels, des von Menschen betriebenen Raubbaus an der Natur, der rein profitorientierten Massentierhaltung, unnötiger medizinischer Tierver­suche ein Skandal, dass nicht stärker auf Schweitzers Lehre der „Ehrfurcht vor dem Leben“ zurückgegriffen wird. Die „Ehrfurcht vor dem Leben“ zielt auf die Menschenwürde und die Liebe zu den Menschen, aber auch auf die Achtung vor allen Lebewesen und einen möglichst fairen und maßvollen Umgang mit ihnen, und schließlich geht es um das Überleben der gan­zen Schöpfung, die wir Menschen nach Kräften zu bewahren und zu fördern haben.

In seiner eigenen Befolgung der Lehre von der „Ehrfurcht vor dem Leben“ war Schweitzer selbst kein Fanatiker, Fundamentalist oder Extremist, sondern maßvoll, mit gesundem Men­schenverstand. Schon in seiner Kindheit wuchs in ihm „die unerschütterliche Überzeugung, dass wir Tod und Leid über ein anderes Wesen nur bringen dürfen, wenn eine unentrinnbare Notwendigkeit dazu vorliegt, und dass wir alle das Grausige empfinden müssen, das darin liegt, dass wir aus Gedankenlosigkeit leiden machen und töten“.

Gerade angesichts seiner Ethik der „Ehrfurcht vor dem Leben“ sah sich Schweitzer schmerzhaft der Tatsache ausgesetzt, dass das eine Leben um des eigenen Überlebens willen anderes Leben tötet und frisst. Das scheint so zur Schöpfung zu gehören. Und grundsätzlich: „Ein Rätsel ist uns das Wirken des Welt-Geistes, weil es im Schaffen und im Zerstören, im Hervorbringen und im Vernichten von Leben verläuft.“ Das gilt nicht nur in der Natur, sondern auch im persönlichen einzelnen Leben und in der Geschichte.

Den grundsätzlich religiösen Charakter von Schweitzers „Ehrfurcht vor dem Leben“ hebt Eduard Spranger hervor: „Das Leben, das aus dem Verborgenen auftaucht und ins Uner­forschliche verschwindet, ist selbst heilig. Der Mensch, der sein Leben verantwortlich führt, soll es so empfinden und soll es in diesem Sinne ehren. Die Ehre, die er hier gibt, ist eine andere Ehre als die von der Gesellschaft verliehene. Sie ist die Urehre, die daraus folgt, dass der Mensch gewürdigt ist, vor Gott zu stehen.“

(8) Ehrfurcht vor dem unendlichen Grund des Lebens

Von einer von Schweitzer gelegentlich behaupteten „Denknotwendigkeit“ seiner Ethik der „Ehrfurcht vor dem Leben“ wird man nicht ausgehen können. Wohl aber ist sie plausibel. Sie legt sich nahe, weil ohne diese Haltung und ohne ein derartiges Verhalten das Überleben unseres Globus in höchstem Maß gefährdet ist. An die Stelle ihrer Denknotwendigkeit tritt bei Schweitzer aber im Allgemeinen die religiöse Verankerung der „Ehrfurcht vor dem Leben“. Gerade damit aber ist ihre Umsetzung in die Lebenspraxis unausweichlich und unbedingt ge­fordert.

Schweitzer redet von der Ehrfurcht, die dem Schöpfer aller Dinge und Wesen geschuldet ist: „Ehrfurcht vor dem Leben ist Ergriffensein von dem unendlichen, unergründlichen, vorwärts­treibenden Willen, in dem alles Sein gegründet ist. Sie hebt uns über alle Erkenntnis der Dinge hinaus und lässt uns zum Baum werden, der vor der Dürre bewahrt wird, weil er an den Wasserbächen gepflanzt ist.“ An anderer Stelle redet Schweitzer von der „Ehrfurcht zu dem unbegreiflich Unendlichen und Lebendigen, das wir Gott nennen “. Diese Ehrfurcht vor dem unendlichen Grund des Lebens, wie wir das auch ausdrücken können, ist dann das verbindliche Fundament für die Ehrfurcht vor dem Leben, wenn dieser unendliche Grund des Lebens als Macht und Wille der Liebe zu charakterisieren ist, der sich als solcher in uns offenbart, und nicht etwa als blindes Schicksal oder desgleichen: „Ich lebe mein Leben in Gott, in der geheimnisvollen ethischen Gottespersönlichkeit, die ich so in der Welt nicht erkenne, sondern nur als geheimnisvollen Willen in mir erlebe.“

Schweitzer bezeichnet Glauben gerne als „geistiges Einswerden mit dem unendlichen Grund des Lebens“. Aber das kann ja nicht bedeuten, dass die Glaubenden nun in pantheis­tischer Weise mit Gott vermengt werden oder nun gar selbst ein Teil des Göttlichen wären. Da bleibt immer noch ein Abstand, und das heißt auch Grund zur Demut, zur Bescheidenheit vor dem immer größeren Gott. Und eben das ist mit der Ehrfurcht vor dem unendlichen Grund des Lebens signalisiert.

Andreas Rössler - Schluss folgt

„Beten mit den Füßen“

Bericht vom interreligiösen Marsch für Menschenrechte und Frieden am 28. Mai in Jerusalem

Am 26. Mai fand in Jerusalem wie in jedem Jahr der so genannte „Jerusalem-Tag“ statt. Die Feier dieses Tages wird in Form eines Marsches begangen, an dem der „Wiedervereinigung Jerusalems“ im Jahr 1967 gedacht wird.

Menschen mit nationalreligiöser Gesinnung, von denen viele in den völkerrechtswidrig er­richteten Siedlungen leben, machen sich an diesem Tag nach Jerusalem auf. Die Bilder, die dieser Marsch hervorbringt, sind mit den Jahren immer erschreckender und verstörender geworden. In der Altstadt ertönt der Ruf „Tod den Arabern“ und es kommt zu tumultartigen Szenen. Friedensengagierte der Gruppe „Standing Together“, die versuchen, die Szenerie zu befrieden und mit den Feiernden ins Gespräch zu kommen, müssen von der Polizei geschützt werden.

Ganz anders gestaltet sich hingegen der Interreligiöse Marsch, der als Reaktion auf diese Ereignisse am Jerusalem-Tag vor drei Jahren ins Leben gerufen wurde: So kamen am 28. Mai jüdische, christliche, muslimische und internationale friedensbewegte Menschen zusammen, um zu zeigen, dass Jerusalem auch ein anderes Gesicht haben kann. Unter der Federführung der „Rabbiner*innen für Menschenrechte“ initiierte das Interreligiöse Forum - in dem auch wir als Kirchengemeinde aktiv sind - den Marsch für Menschenrechte und Frieden, der sich wie schon in den vergangenen zwei Jahren die gleichen Rechte für alle Menschen in Israel und Palästina auf die Fahnen geschrieben hatte. Zu Beginn kamen am Zionsplatz in Westjerusa­lem Menschen aus verschiedenen Religionen zu Wort, die vor dem Hintergrund ihrer jewei­ligen religiösen Tradition für den Frieden beteten. Worte der Zusammengehörigkeit und der Hoffnung auf ein Ende aller Gewalt bestimmten die Zusammenkunft. Bis zum Jaffator gingen die Teilnehmenden dann schweigend und gedachten der Opfer von Krieg und Terror. Den Ab­schluss bildete eine Gebetsgemeinschaft am Jaffator.

Die Worte der Veranstalter*innen, die als Überschrift über dem Friedensmarsch standen, waren deutlich und wurden zu Beginn von Sukaina Ta’un und Yakir Renbaum vom Interreligiö­sen Forum klar formuliert: „Dieser Marsch ist ein Gebet. Ein Gebet für Gerechtigkeit, für Mit­gefühl und für das Ende des Krieges. Wir wissen, dass es kein Schweigen mehr geben darf, wenn wir heute in den steinernen Mauern unserer Stadt stehen. Wir können nicht so tun, als ob es den Hunger in Gaza nicht gibt und als ob dort keine Kinder an Unterernährung sterben. Während wir heute marschieren, sind die Geiseln immer noch nicht frei und tausende von Gefangenen werden ohne Gerichtsurteil festgehalten. In der Westbank werden Häuser zer­stört, Dörfer blockiert und Menschen wird die Hoffnung genommen. Im Süden werden Bedui­nen heimatlos gemacht, um dort Platz für neue Siedlungen zu schaffen, die ausschließlich Jüdinnen und Juden vorbehalten sein sollen. Es ist genug mit dem Krieg in Gaza, es ist genug mit der Unterdrückung, genug des Schweigens und genug mit der Herrschaft der einen über die anderen. Wir beten für einen sofortigen Waffenstillstand, die Freilassung all derer, die als Geiseln genommen wurden, und den Schutz des Lebens auf beiden Seiten. Dies ist ein Marsch für Menschenrechte und für die Würde jedes einzelnen Menschen - ganz gleich wel­cher Nationalität, Religion oder Sprache.“ In diesem Sinne erklangen während des Marsches Lieder aus den verschiedenen teilnehmenden Religionen - und ganz zum Ende auch die Hymne der Bürgerrechtsbewegung „We Shall Overcome“, die von vielen aus tiefstem Herzen mitgesungen wurde.

Teilnehmende am interreligiösen Friedensmarsch 2025 (Foto: © Rabbis for Human Rights)
Foto: © Rabbis for Human Rights

Es waren lange nicht so viele Menschen an die­sem 28. Mai unterwegs wie am vorhergehenden Je­rusalem-Tag. Aber die Veranstaltung war ein deutli­ches Zeichen dafür, dass es auch diejenigen gibt, die sich bewusst für die Rechte und Wurde aller Menschen einsetzen. Eine Gruppe, die derzeit ganz klar in der Minderheit ist und die Solidarität vieler in der Zukunft brauchen wird. Aber auch eine Gruppe, die hartnäckig durchhält. Von der Weltöffentlichkeit weitgehend unbeachtet fand bereits Anfang Mai ei­ne Friedenskonferenz in Jerusalem statt, in der 50 in der Friedensarbeit engagierte Gruppen ihre Ar­beit vorstellten und ganz konkret über eine andere gemeinsame Zukunft nachdachten.

Das mag angesichts der aktuellen Situation als ein vollständig unrealistisches Vorhaben er­scheinen. Alle, denen dieses Engagement dieser Gruppen oder des Interreligiösen Forums als naiv oder aussichtslos vorkommt, seien jedoch daran erinnert, dass es gerade in den schein­bar ausweglosen Situationen umso mehr diejenigen braucht, die sich mit dem gegebenen Zustand nicht zufrieden geben, sondern etwas anderes wollen und das auch zeigen: Mit ihrem Gang hinaus auf die Straße für eine andere Wirklichkeit und mit den Worten ihrer Gebete.

Die Organisation „Rabbiner*innen für Menschenrechte (RHR)“ wurde 1988 gegründet. RHR besteht aus Rabbiner*innen verschiedener jüdischer Traditionen - darunter reformierte, orthodoxe, konservative und rekonstruktivistische. Die Mission der Organisation besteht darin, inspiriert von den ethischen Lehren des Judentums die grundlegenden Menschenrechte aller Menschen in Israel und in den besetzten palästinensischen Gebieten zu wahren.

Das Interreligiöse Forum hat sich vor dem Hintergrund des interreligiösen Marsches im Jahr 2022 gegründet.

Ines Fischer, Pfarrerin, im Jerusalemer Gemeindebrief Nr. 2 / Juni-August 2025

Die Collage der TSA-Ältesten

Wie in der letzten Ausgabe der ‚Warte‘ angekündigt, möchte ich hier darstellen, wie es zu der Collage, die die Ältesten der TSA bei ihrem Ältesten-Wochenende gestaltet haben, gekommen ist und was dahinter steht. Ich hatte Renate Beilharz, die den Ältestenkreis leitet, angeschrie­ben und ebenso Christine Arndt, die die Idee zur Ausführung der Collage geliefert hat. Renate ist leider sehr schwer erkrankt - an dieser Stelle schicken wir die besten Genesungswünsche! -, und antwortete mir trotzdem. Ich bemühe mich, beide Erklärungen und Beschreibungen hier zusammenzubringen.

In einer der dem Wochenende vorausgehenden Sitzungen tauschte man sich besorgt darü­ber aus, wie Außenstehende, aber auch Mitglieder der TSA die Gemeinschaft, aber auch ihre Ziele wahrnehmen würden. Immer wieder hörte man auch Mitglieder sagen, dass sie nicht so sehr an dem religiösen Aspekt der TSA interessiert seien, sondern eher an den gesellschaft­lichen, den kulturellen und den traditionellen Aspekten. Damit, so die Meinung des Ältesten­kreises, würden sie aber das Wesentliche nicht begreifen, da der Glaube, die Werte und die Einstellung zum Leben die Grundlage für alles sei, was in der TSA getan werde, auch wenn dies nicht immer ausdrücklich gesagt werde.

So ist beispielsweise das CHAMPION-Projekt, wodurch Bedürftige mit Lebensmitteln, Hygi­eneartikeln, aber auch Beratung verschiedenster Art versorgt werden, direkt auf die empfunde­ne Verpflichtung ausgerichtet, Bedürftigen zu helfen und die Welt für andere zu einem besse­ren Ort zu machen. Bedauerlich sei, dass manche Mitglieder diese Hilfsmaßnahme nicht für lohnenswert ansähen, es sei denn, sie rekrutiere neue Mitglieder. Das sehen die Ältesten da­gegen überhaupt nicht als notwendiges Ergebnis dieser Initiative.

Bei einem Diskussionsabend mit den Ältesten versuchte Renate, das Konzept der TSA schema­tisch darzustellen, Christine entwickelte dazu ein einfaches Diagramm. Der Sonntagnachmittag des Ältesten-Wochenendes wurde also für kreative Ge­spräche darüber reserviert, wie sich der allen As­pekten der TSA zugrunde liegende Glaube für sie persönlich manifestierte und wie man das anderen erklären oder zeigen könnte. An dem Nachmittag nahmen Renate Beilharz, Kathryn Buss vom Büro, Ingrid Hoffmann, Theo Richter, Christine und Harald Ruff und Renate Weber teil.

Die Collage der TSA-Ältesten (Foto: Privat)
Foto: Privat

Die Frage war, wie man alle Facetten der TSA mit dem Glauben im Mittelpunkt in einem Bild dar­stellen könne. Als zentrale Begriffe ergaben sich Glaube, soziales Leben, Fürsorge und Kultur; die übrigen Begriffe ergaben sich im Gespräch, beim Durchblättern von Zeitschriften - und natürlich gab es viele Überschneidungen bei all den Begriffen und Konzepten. Genau das sollte ausgedrückt werden, denn alle diese verschiedenen Aspekte verbinden sich zu dem, was die TSA heute ist. Die Wahl der Farben (rot für Gesellschaftliches, gelb für Fürsor­ge, blau für Kultur, zum Herzstück Glaube gehören lila und grüne Bereiche und Regenbogenfarben) folgte keinem Plan, Motive und weitere Gestaltung entstammten kreativen Ideen. Es wurde viel verschiedenes Papier und andere Materialien ver­wendet - und viel Klebstoff...

In dieses Grundgerüst wurden die verschiedenen Begriffe - aus Zeitschriften ausgeschnitten oder geschrieben - eingesetzt, z.B. beim Thema Soziales: Glück, Freude, Liebe, etwas für jeden, Friede auf Erden; beim Thema Fürsorge: Liebe, Wohlbefinden - was in allen Feldern anzutreffen ist -; beim Thema Kultur: Friede, und Bilder, die kulturelle Besonderheiten zeigen sollten; beim Thema Glaube: Liebe, Freude, etwas für jeden, Friede auf Erden, strahlen, ein­zigartig, Balance, „Bostich“ für Zusammenhalt.

Dabei war das Ganze vor allem eine Übung, um Diskussionen anzuregen, bei denen jeder seine getroffene Auswahl erklärte und mit den anderen besprach. Dadurch wurden Ideen und Konzepte ausgetauscht, die persönliche Überzeugung von der glaubensbasierten Natur der Tempelgesellschaft vertieft. Während der Entstehung des Kunstwerks wurde viel darüber ge­sprochen, was die einzelnen Konzepte jedem bedeuten und wie die TSA sie Menschen außer­halb der Gemeinschaft vermittelt. Der Glaube ist das Zentrum, aber alle anderen Aspekte sind für die Mitglieder relevant und überschneiden sich. So machte es Spaß, diese Collage zu schaffen, aber die Beschäftigung damit hatte auch Tiefe, Bedeutung und den Zweck zu reflek­tieren.

Es sollte damit keine umfassende ‚Definition‘ der TSA erarbeitet werden, aber das Ender­gebnis gefiel allen und so wurde beschlossen, es mit der Gemeinde zu teilen und es in einem Fenster der Chapel anzubringen, damit alle Vorbeigehenden es sehen können.

Karin Klingbeil

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