Die Warte des Tempels
Monatsschrift für offenes Christentum

Ausgabe 175/3 - März 2019

 

 

Suche den Frieden und jage ihm nach! - Karin Klingbeil

Die Schönheit der Schöpfung ruft zur Umkehr - Wolfgang Blaich

Zur Welt kommen - Wie alles mit allem verbunden ist - Peter Lange

»Evangelium kreativ« - Birgit-Sara Fabianek

Klimarevolution: Damit wir tun, was wir wissen - Wolfgang Kessler

Forschungsarbeit aus und über Waldheim - Jörg Klingbeil

Suche den Frieden und jage ihm nach!

Diese Worte der Jahreslosung für das Jahr 2019 sind aus Psalm 34, Vers 15 entnommen, einem Psalm Davids, der Gott für seine Hilfe in der Not dankt und ihn lobt. Vollständig heißt Vers 15: Lass ab vom Bösen und tue Gutes, suche Frieden und jage ihm nach!

Die unzähligen Beschreibungen im Alten Testament von kriegerischen Handlungen zeugen von einer anderen Auffassung von Frieden als wir sie heute haben. Weder ist die Kriegsfüh­rung mit oder durch einen Gott in der damaligen Zeit und im damaligen Umfeld etwas Außer­gewöhnliches, noch die unbarmherzige Härte den Feinden gegenüber, die auch Israel bzw. sein Gott ausübt. Von einer Ächtung des Krieges oder Pazifismus kann in weiten Teilen des Alten Testaments keine Rede sein. Gottes eigenes Gebot »Du sollst nicht töten« findet auf die Kriegsführung keine Anwendung, aber damit verhält sich Israel nicht anders als seine Umgebung; und Gott greift vornehmlich für sein Volk ein, um es vor dem Untergang zu retten.

Aber in den Prophetenbüchern des Alten Testaments gibt es auch Texte, die von einer Welt ohne Krieg und Gewalt in der Zukunft reden, jener Sehnsucht und Hoffnung, die Menschen wohl zu allen Zeiten umgetrieben haben. Micha (4, 1-5) und Jesaja (2, 2-4) kündigen das Geschehen für das Ende der Zeit an - realistisch genug, es nicht für unsere Zeit zu denken. Dann werden alle Völker Jahwe und seinen Richterspruch zur Herstellung der Gerechtigkeit anerkennen, die Waffen können zu Pflugscharen umgeschmiedet werden und alle in Frieden leben.

Dagegen ist Frieden im Neuen Testament ein Hauptthema. Jesus wird als Friedefürst ange­kündigt, die Engel sagen den Menschen bei seiner Geburt Friede auf Erden zu, die Gewaltlo­sigkeit seines Auftretens, der uralte Gruß Friede sei mit dir, den er jedem entbietet, und die Aussage in der Bergpredigt Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen - für Jesus geht der Friedenswunsch bis hin zur Aufforderung zur Feindesliebe. Sein ganzes Leben ist Ausdruck des Friedenswunsches - und die Aufforderung an uns, es ihm nachzutun. Er nennt es Reich Gottes, das sich an der Vision der Propheten orientiert und das mit seinem Kommen und seiner Verkündigung angebrochen ist und nach dem auch ein jeder von uns streben sollte. Damit liegt auch er ganz auf der Linie des Suche den Frieden und jage ihm nach - denn die Grundlage und die Möglichkeit für den Frieden sind gegeben, wir müssen ihn zutage treten lassen.

Dabei - und das wissen wir alle selber ganz gut - ist es alles andere als einfach, nach dieser Maxime zu handeln. Warum gibt es so viel Unfrieden im zwischenmenschlichen Bereich und ebenso zwischen Staaten? In Deutschland erleben wir gerade die längste Friedensphase, während es auf der Welt 20 Kriege und 385 kriegerische Konflikte gibt, verbunden mit Mord, Hunger, Terror, Vertreibung und den größten Flüchtlingsströmen seit Jahrzehnten. Und was ist Frieden überhaupt - nur die Abwesenheit von Streit oder Krieg?

Wenn wir wieder einen Blick ins Judentum werfen, ist hier auch heute noch Friede, Shalom, in aller Munde, unzählige Male am Tag. Wenn man sich begrüßt, sagt man Shalom - Friede sei mit dir, wenn man wissen möchte, wie es dem anderen geht, fragt man Ma shlomcha? Wie steht es mit deinem Frieden? Das ist viel tiefgreifender als zu fragen: Wie geht’s dir? Denn Shalom, das ursprünglich "Vervollständigung" bedeutete, beschreibt das umfassende Wohler­gehen in allen Lebensbereichen - körperlich, psychisch, sozial und auch geistlich. Es ist ein optimaler Zustand des Friedens mit sich selbst und mit anderen - und das ist das Wesentliche: Shalom betrifft nicht nur den Einzelnen, sondern das kollektive soziale und gesellschaftliche Wohlergehen, denn das eine gibt es nicht ohne das andere und nur die "heile" Personenge­meinschaft kann Ebenbild Gottes genannt werden. Dahinter steht genau die prophetische Frie­densvorstellung, die unverbrüchliche Hoffnung auf ein gerechtes Miteinander der Menschen und alle Feindschaft überwindendes Miteinander der ganzen Schöpfung. Dazu legt die Verbindung mit dem hebräischen Wort für "nachjagen" (wie auch diese Übersetzung davon) eine starke Intensität der Bemühung nahe, eine, durch die man etwas unbedingt erreichen will.

Mit diesem Shalom ist untrennbar auch das Vertrauen auf Gott, den Schöpfer und Erhalter der Welt, verbunden. Die Gottesbeziehung verhilft zu einem dankbaren Blick in die Vergangen­heit, schenkt Lebenszufriedenheit in der Gegenwart und lässt den Menschen hoffnungsvoll in die Zukunft schauen.

Gilt das auch für uns? Ich denke schon. Aber hilft uns das auch ganz konkret bei Konflikten mit den Nachbarn, Kollegen, Kindern, Partnern, Mietern oder Vermietern und, und, und...? Wichtig ist, den Respekt vor dem anderen zu bewahren, auch wenn wir mit ihm Probleme haben, und ganz sicher wird helfen, sich einmal genauer anzuschauen, worum es bei dem Konflikt, der den Frieden stört, eigentlich geht. Und dann auch, sich selbst zu beobachten, wie wir mit diesem Konflikt umgehen: diskutieren, schreien, schweigen wir, bagatellisieren, schlucken, vergeben, ignorieren wir, arbeiten wir auf? Das ist sicherlich auch sehr unterschied­lich - denn in einem Fall kann man völlig problemlos Dinge ansprechen, im anderen vermeidet man das lieber um des lieben Friedens willen. Obwohl genau das nicht dem Friedensgedan­ken entspricht und ihn auch nicht fördert. Ganz sicher ist der Umgang mit Konflikten auch eine Sache des Wesens, aber in erster Linie hat er doch mit Kompetenz zu tun und Kompetenzen kann man lernen - und einüben.

Außerdem stellt sich die Frage nach der Ebene mit Gott - spielt sie für uns eine Rolle? Wenn nicht, gibt es hier kein "Konfliktpotential", aber möglicherweise hat das dann einen Einfluss auf unser Verhalten unseren Mitmenschen gegenüber. Wenn diese Ebene für uns eine Rolle spielt, ist die Frage, wie diese Beziehung aussieht - stimmt sie nur, solange es mir und den Meinen gut geht? Und was ist, wenn "das Schicksal" zuschlägt? Wie sieht es dann mit meinem Gottvertrauen aus? Wenn es echt ist, können wir auch dann von der Liebe Gottes überzeugt sein und uns auch dann angenommen und getragen fühlen. Das würde uns dann zum Leben helfen, denn wer sich im Frieden mit Gott fühlt, stärkt seine Gelassenheit und Besonnenheit, kann auch anderen Menschen gegenüber etwas nachsehen und sich auf Kom­promisse einlassen.

Schließlich gibt es da auch noch uns selbst - befinden wir uns mit uns selbst im Frieden? Das ist ganz sicher nicht immer gleich, wahrscheinlich ist eher der Normalzustand, dass wir uneins mit uns sind. Denn oft werden wir von unterschiedlichen Gefühlen bewegt, haben gleichzeitig verschiedene Meinungen, fühlen uns überfordert von unseren eigenen Ansprüchen oder gestehen uns vielleicht auch nicht die Angst ein, zu kurz zu kommen, Ansehen, Macht und Einfluss zu verlieren. Aber es ist wichtig, dass wir uns diese Vielstimmigkeit klar machen und sie auch zulassen, ohne im Keim zu ersticken, was der eine Teil am anderen nicht mag. Wer zu oft unzufrieden mit sich selber ist, sich selbst nicht genügt, hat sicherlich in seiner Kindheit immer mal wieder das Signal empfangen: du kannst es nicht recht machen! Umso wichtiger ist, dass wir uns dessen bewusst werden und uns sagen: so, wie du bist, bist du in Ordnung und von Gott angenommen! Und wir alle haben Menschen in unserem Umfeld, die uns schätzen und anerkennen - trotz unserer Fehler! Das heißt ja nicht, dass wir nicht dennoch eigene Fehler erkennen dürfen und versuchen dagegen anzugehen!

Und noch etwas hilft: Lass ab vom Bösen, tue Gutes, suche den Frieden und jage ihm nach! Denn wenn wir uns aktiv darum bemühen, in unserem Umfeld den Frieden zu suchen, so gut wir es können, und ihn dann auch zu erhaschen - nicht aus Pflichtgefühl, weil es uns geboten und in der Jahreslosung 2019 wieder angesagt ist -, sondern um des echten Friedens willen, der auch die Mitmenschen in unserem Umfeld mit einbezieht. Dann werden wir selber merken, dass uns das hilft, gute Tage zu erleben. Also: ein schönes Motto für ein Jahr!

Karin Klingbeil, Saalansprache vom 13. Jan. 2019, gekürzt

BIBELWORTE - KURZ BETRACHTET

Die Schönheit der Schöpfung ruft zur Umkehr

Der deutsche Astronaut Alexander Gerst hat zur Jahreswende aus dem All eine Botschaft an uns geschickt, aus Sorge um die Erde. Aus seiner Raumstation hatte er die Schönheit der Erde im Blick, und fand jeden Tag neue Eindrücke von der Einmaligkeit unseres Planeten.

Seinen Blick habe ich nicht, aber ich verstehe, dass wir Gottes Spuren in der Schöpfung finden. Alles was wir sehen können - Sonne, Mond und Sterne, Pflanzen, Tiere, Menschen - all das sind Spuren des Schöpfers. Und wer sich intensiver mit dieser Schöpfung befasst, der kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Das ist es, was der Beter des 119. Psalms in seinen Worten ausdrückt: wohin er blickt, was immer er beobachtet und erlebt: die Erde ist gut. Die Landschaften sind großartig. Die Vielfalt der Pflanzen und Tiere ist nicht wirklich erfassbar. Eins greift ins andere und bildet sinnvolle Zusammenhänge. So gesehen ist die Erde ein vollständiges Ganzes, voller Schönheit und Wunder und voller Möglichkeiten. Es ist damit die Grundlage für eine phantastische Entwicklung gelegt. Mit einer positiven Einstellung können Menschen daraus eine Menge machen. Der Psalmist stellt aber auch fest, dass das alles nur möglich ist, weil Gott als der Schöpfer auch der Erhalter dieser Welt ist. Denn würde die Welt sich selbst überlassen bleiben, würde alles im Chaos enden - die Erde ist immer noch so schön, weil Gott seine Schöpfung immer wieder nachjustiert. So spricht der Psalmist, dass die Erde voll von Gottes Güte ist.

Aber was erleben wir? Große Eingriffe der Menschen in die Natur, deren Folge verheerende Verwüstungen und Katastrophen sind. Die Natur ist aus dem Gleichgewicht geraten. Ihre Harmonie und Schönheit ist angegriffen. Viele werden sich fragen - ist das Gottes Wille? Warum greift er nicht ein, wenn er doch der Erhalter ist? Aber vergessen wir nicht, dass Gott uns den freien Willen gegeben hat. Eine Entscheidung in diese oder jene Richtung liegt ganz in meiner Hand. Es ist letztlich ein Ruf zur Umkehr, zu welcher der Psalmist uns mahnt. Durch seine Augen gesehen ist der Blick auf die Schöpfung ein Ruf zur Besinnung und zum Um­denken im Umgang mit der Schöpfung.

Genau dahin führen die Worte der Botschaft von Gerst, wenn er sagt, dass er sich wohl bei unseren Nachkommen entschuldigen muss, wenn unsere Generation ihren Kindern und Enkeln diesen Planeten in einem »nicht gerade bestem Zustand« hinterlassen wird. Gersts Blick von außen kann uns helfen, die Gebrechlichkeit unseres Planeten besser zu begreifen.

Wolfgang Blaich

BUCHBESPRECHUNG

Zur Welt kommen - Wie alles mit allem verbunden ist

»Die Zeit ist reif für ein neues Verstehen - und damit für das Überdenken festgefahrener welt­anschaulicher Auffassungen«. Mit diesen Worten stellt der Informatiker Klaus Simon sein einfühlsames, animierendes Nachdenkbuch vor. Der Autor ist einigen von uns schon bekannt geworden als Mitdenker und Mitarbeiter der »Ökumenischen Initiative Reich Gottes jetzt«. Wir haben in der Vergangenheit schon verschiedentlich Texte von ihm in der »Warte« wiedergege­ben.

Die im Buch hervorragend skizzierte Entwicklung des Lebens auf der Erde, die gewöhnlich als »Evolution« bezeichnet wird, steht im Grunde für eine immense Erweiterung unseres Wissens von der Welt. Simon meint, dass hinter diesem Wissen vor allem die Frage an uns gestellt ist, »was denn hinter dieser evolutionären Veranstaltung stecken mag, die da vor unseren Augen abläuft«. Diese Frage kann unser Wissen allein nicht beantworten. Es geht für uns im Grunde darum, ob wir die Entwicklung für zufällig halten - ohne wahrnehmbaren Sinn und Zweck - oder etwa für gerichtet und sinnhaft. Die Frage nach einer Zweckursache hat für den Verfasser schon seit der griechischen Antike unser Denken begleitet und ihre Beantwor­tung unsere Weltanschauung bestimmt.

Der Verfasser beschreibt in seiner Abhandlung nun die bestehenden unterschiedlichen weltanschaulichen Auffassungen und argumentiert, dass unser Gottesbegriff überwiegend mit überkommenen Auffassungen belastet sei, »die sich längst nicht mehr mit heutigem Wissen und Empfinden vereinbaren« ließen. Was wir mit heutigen Augen sehen könnten, »sei ganz anders als bisher immer geglaubt«: »Gott ist kein Magier, der unsere Einzelschicksale wie an Fäden lenkt« und »Die Welt befindet sich keineswegs im Zustand der Vollkommenheit.«

Seine grundlegende Ansicht ist, dass Glaube und Wissen sich im Einklang miteinander befinden müssen. Sie brauchen einander. »Wissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Wissenschaft ist blind« zitiert er Einstein. »Das Wahrnehmen von Wirklichkeit bildet das allzeit beste Fenster zu Gott«. »Es ist das Staunen, welches uns dem Urgrund der Welt näher bringt. Immer schon, und heute ebenso, fühlen sich Menschen dabei innerlich angesprochen, und das geht ohne Worte. Wir meinen dann die unauflösliche Einheit mit allem in uns zu spüren, sobald unser Tun zum Einklang mit dem Ganzen findet, oder wenn uns plötzlich in tief innerer Anrührung die Schönheit dieser Erde aufscheint.«

Er kommt dann auf die Rolle des Menschen in der Welt zu sprechen. »Angesichts der vielen Krisen und dringlichen Anforderungen, die auf uns warten, gerät die Frage nach der Gottesvorstellung glattweg in die Zweitrangigkeit.« Viel wichtiger sei Orientierung, die unser Leben gelingen lässt. Und interessanterweise gelingt diese Orientierung für Simon immer dann, wenn wir die Wirklichkeit umfassend wahrnehmen. Das sei die Hauptsache, und nicht der Glaube oder Unglaube an Gott.

Sein letztes Kapitel ist überschrieben mit der Frage: »Wofür leben wir eigentlich?« Klaus Simon fragt weiter: »Gibt es überhaupt einen übergreifenden Sinn?« Er verweist darauf, dass unter dem Blickwinkel der Evolution jeweils dasjenige sinnvoll sei, das den Zwecken des Lebens diene. Und er folgert daraus, dass es für uns offensichtlich sinnvoll ist, durch unser Handeln nicht in Widerspruch zur Weiterentwicklung - besser gesagt: zur Vervollkommnung - zu geraten. Was eine Veränderung tatsächlich bewirke, sei zunächst nicht immer klar, erst das Ergebnis würde darüber Auskunft geben können.

Es mag für unsere »Warte«-Leser interessant sein, wie der Verfasser in diesem Zusammen­hang gedanklich unserem Tempelgründer Christoph Hoffmann folgt, der in »Occident und Orient« feststellt (Seite 15): »Die geistige und leibliche Vervollkommnung des Menschen ist das Ziel und die Aufgabe jeder Religion, sie ist auch das Ziel und die Aufgabe des Tempels«, wobei er die Herbeiführung des besseren Zustandes im Leben und Wirken einer Gemeinschaft von Menschen sieht.

Auch Klaus Simon verwendet in seiner Schlussaussage den Begriff des »Reiches Gottes«, präziser: einer »Welt des Friedens und der Gerechtigkeit«, wie sie Jesus in seinen Gleich­nissen veranschaulicht hat. Und er zählt die Zustände in unserer Gegenwart auf, die einem solchen Reich entgegenstünden: die ökologischen Krisen, die Ausbeutung der Erde, die Aufrüstung der Nuklear-Staaten, die Dominanz der Partialinteressen über das globale Gemein­wohl.

Und er schließt mit der offenen Frage: Werden wir den aktuellen Herausforderungen denn gewachsen sein? Und er beantwortet sie so: »Wir sollten zu Ende denken und neben unseren Wünschen und Zielen auch dann die Folgen unseres Handelns sorgsam in Betracht ziehen, wenn diese nur die anderen betreffen. Es geht darum, die anderen als Teil des Ganzen und damit als Teil von uns selbst wahrzunehmen. Wir brauchen neben dem rationalen Erkennen auch ein Empfinden mit allen unseren Sinnen.«

Klaus Simon, Zur Welt kommen - Wie alles mit allem verbunden ist, Büchner-Verlag Marburg, 2018, ISBN 978-3-96317-122-2, auch als eBook erhältlich

Peter Lange

»Evangelium kreativ«

Ursula Hahmann engagiert sich in Aachen in einer besonderen Kirchengemeinde mit besonde­ren Gottesdiensten.

Ich hatte mich von der Kirche entfernt, nachdem ich im Studium erlebt habe, wie geringschät­zig manche hochrangigen Kirchenvertreter mit engagierten Mitchristen umgehen. Heute gehö­re ich mit »Zeitfenster« einer Gemeinde an, in der ich Gestaltungsfreiheit habe und Kirche bin, also nicht nur konsumiere.

In den ersten Jahren haben wir uns bei Zeitfenster vor allem ausgetauscht und gesucht, wie Kirche von morgen gehen kann. Wir haben experimentiert, wie man mit Aktionen in der Stadt das Evangelium heute kreativ verkünden kann. Eine hieß »Anti-Stress For Free«...

Protokoll: Birgit-Sara Fabianek

 

Dieser Artikel ist für die Internetausgabe der »Warte« leider nicht freigegeben. Lesen Sie den vollständigen Artikel in der gedruckten Ausgabe der »Warte« oder in »Publik-Forum«, kri­tisch - christlich - unabhängig, Oberursel, Ausgabe 22/2018, Seite 61.

Klimarevolution: Damit wir tun, was wir wissen

Die ökologische Revolution scheint ferner denn je: Die meisten Bürger konsumieren auf Teufel komm raus. Die Politik setzt auf Wachstum, koste es, was es wolle. Und doch könnte sich bald Entscheidendes ändern.

Kaum irgendwo ist die Kluft zwischen Denken und Handeln größer als in der Klimapolitik. Die Bürger und die Politik wissen längst, woher die Gefahren für die Erderwärmung kommen. Und sie wissen, was dagegen zu tun wäre: Erneuerbare Energien statt Kohle, ressourcenarm wirt­schaften, langlebige Produkte statt Wegwerfkonsum, reparieren statt kaufen, weniger fliegen, weniger Auto fahren, weniger Fleisch essen. Dennoch hat die ökologische Revolution noch nicht einmal begonnen. Im Gegenteil. Bürger und Politik blockieren sich gegenseitig.

Klar, man könnte es mit einfachen Schuldzuweisungen versuchen: Die Bürger sind einfach zu bequem, und die Politiker folgen vor allem den mächtigen wirtschaftlichen Interessen. Doch ganz so einfach ist es nicht.

Um die Lethargie zu verstehen, ist es hilfreich, auf die Erkenntnisse der Wissenschaft zu schauen. »Menschen wagen sich dann an Veränderungen heran, wenn ihr Leiden an einem Problem größer ist als ihre Angst vor den Folgen der Veränderung«, sagt der Nestor der Sozialphilosophie, Oskar Negt. »Wenn die Angst, durch Veränderung zu verlieren, dagegen größer ist als das Leiden, dann versuchen alle, für sich zu retten, was zu retten ist. Und konservieren das Bestehende.«...

Wolfgang Kessler

 

Dieser Artikel ist für die Internetausgabe der »Warte« leider nicht freigegeben. Lesen Sie den vollständigen Artikel in der gedruckten Ausgabe der »Warte« oder in »Publik-Forum«, kri­tisch - christlich - unabhängig, Oberursel, Ausgabe 1/2019, Seite 12.

NEUES AUS DEM ARCHIV

Forschungsarbeit aus und über Waldheim

Bei der letztjährigen Israelreise haben wir auch die frühere Siedlung Waldheim in Galiläa (heute: Alonei Abba) besucht und dabei Ayelet Drach getroffen, die ebenso wie wir wenige Tage zuvor an der Tagung in Haifa teilgenommen hatte und schon früher mit unserem Archiv in Kontakt getreten war (vgl. »Warte«, Juli/August 2017). Ayelet ist in Alonei Abba aufge­wachsen; ihre Familie bewohnt ein Haus auf dem Gelände der früheren Sus-Farm. Sie hat am College für das westliche Galiläa »Conservation Studies« studiert und 2016 bei Prof. Amir Freundlich ihre Abschlussarbeit über die Milchproduktion im Ort und auf der Sus-Farm ge­schrieben, die uns in einer englischen und in einer deutschen Übersetzung vorliegt. Darin wird zunächst die Entstehung der Siedlung geschildert, die von wieder zur Evangelischen Kirche zurückgekehrten ehemaligen Templern (»Kirchlern«) 1907 gegründet wurde. Wie bei der be­nachbarten Templersiedlung Betlehem lag hier der Schwerpunkt auf der Landwirtschaft. Der Planung gingen eingehende Untersuchungen der örtlichen Verhältnisse unter Berücksichti­gung der Erfahrungen in den älteren Siedlungen voraus. Forschungsarbeit aus und über WaldheimBei der Standortwahl spielte zum Bei­spiel eine wesentliche Rolle, dass die neuen Sied­lungen nicht weit von dem fruchtbaren Schwemm­land der Jesreel-Ebene, aber trotzdem weit genug davon entfernt liegen sollten, um nicht vom Sumpf­fieber betroffen zu werden, das dort 1867 zum Scheitern des ersten Siedlungsversuchs geführt hatte. Dennoch blieb auch Waldheim von Malaria nicht verschont.

Hier wie in den anderen landwirtschaftlichen Ko­lonien stand die Milchwirtschaft im Mittelpunkt; durch den ertragreichen Getreide- und Grünfutter­anbau war eine unabhängige Futtermittelproduktion für das Nutzvieh gesichert, so dass das Vieh überwiegend im Stall gehalten wurde. Bis zum Ersten Weltkrieg entwickelten sich die beiden Landwirtschaftskolonien in Galiläa nur schlep­pend; erst nach Kriegsende und der Rückkehr der Männer vom Kriegseinsatz ging es ab etwa 1920 mit den Landwirtschaftsbetrieben spürbar aufwärts.

Die Familie Sus kam nach Waldheim erst 1922, konnte aber für ihre Milchwirtschaft auf den bis dahin erreichten Errungenschaften aufbauen. Einerseits war jeder Hof eine eigenständige landwirtschaftliche Einheit, andererseits wurden die Landwirte in ihrer Arbeit durch Gemein­schaftseinrichtungen unterstützt, die sich um öffentliche Belange und die Organisation küm­merten. So hatten die Kolonisten auch eine Genossenschaft gegründet, die einen Laden und die Molkerei betrieb. Hauptabsatzorte waren Nazareth und Haifa. Während ab 1923 die Marktpreise für Weizen verfielen, steigerten die Farmen ihre Milch- und Fleischproduktion, wobei sie sich vor allem durch eine erfolgreiche Mischwirtschaft, also auch eine ertragreiche Futtermittelproduktion auszeichneten. Forschungsarbeit aus und über Waldheim1935 betrug die bewirtschaftete Fläche der Kolonie Waldheim umgerechnet knapp 500 Hektar, wobei der angren­zende Eichenwald im Frühjahr ebenfalls einen guten Weidegrund abgab. In den Ställen standen zu dieser Zeit 153 Milchkühe.

In ihrer Arbeit beschreibt Ayelet Drach viele Einzelheiten über die Struktur und die Bauweise der landwirtschaftlichen Betriebe in den beiden galiläi­schen Kolonien: So habe eine typische Templer­farm eine Fläche von 20-30 Hektar gehabt, von der zwei Drittel für den Futtermittelanbau genutzt worden sei. In den arbeitsreichsten Monaten seien auf jeder Farm im Schnitt fünf arabische Mitarbeiter beschäftigt worden, die vorwiegend zusammen in einem zentralen, selbst errichteten Gebäu­de, dem sog. Khan, gewohnt hätten. Ungeachtet wachsender Konkurrenz durch einen zionis­tischen Landwirtschaftsverband aus der Jesreel-Ebene konnten die Milchmengen erheblich gesteigert werden, in Waldheim von 179.456 Liter im Jahr 1930 auf 325.849 Liter im Jahr 1934. Zum Vergleich: 1934 betrug die Milchproduktion in Betlehem 318.438 Liter, in Sarona 651.768 Liter und in Wilhelma stolze 871.410 Liter. Ursächlich für die Steigerung war neben der regelmäßigen Futterversorgung vor allem die Kreuzung einheimischer Rassen mit ertragreicheren Arten aus Europa. So wurden jährliche Milcherträge pro Kuh von 3.000-4.000 Litern erzielt, während bei den einheimischen Kühen nur etwa 500-600 Liter pro Kuh und Jahr üblich waren. 1935 geriet die Milchwirtschaft in den Nordkolonien aufgrund jüdischer Boykottaufrufe in eine Krise. Um die überschüssigen Mengen zu vermarkten, mussten teure Kühlanlagen erworben werden, um Butter und Käse zu erzeugen, die aber schwerer zu ver­markten waren. Bereits 1913 hatten die Kolonien Waldheim und Betlehem eine gemeinsame Vermarktung ihrer Milchprodukte organisiert und dafür einen Milchwagen angeschafft. 1933 wurde in Waldheim gemeinsam mit der Kolonie Betlehem eine Molkerei und ein Gemein­schaftskühlraum erbaut, wobei die Kühlung durch einem Dieselgenerator erzeugt wurde, der auch einige Gebäude in der Nähe mit Strom versorgte. Die Kühlanlage produzierte auch Eisblöcke. Der Fahrer des Milchwagens war die Verbindung zum Leben außerhalb der Kolonie; er lieferte nicht nur die Produkte in Haifa ab, sondern hatte auch Einkaufslisten der Kolonisten dabei.

Forschungsarbeit aus und über WaldheimHeute besteht die landwirtschaftliche Kooperative (Moshav) Alonei Abba aus rund 50 Haushalten; ca. 180 Häuser befinden sich in einem Neubaugebiet am Rande der alten Siedlung. Nur noch wenige Bewohner betätigen sich in der Landwirtschaft; die meisten befinden sich im Ruhestand oder pendeln zu auswärtigen Arbeitsplätzen.

Bei unserem kurzen Besuch in Waldheim hatten wir auch Gelegenheit, die frühere evangelische Kirche von innen zu besichtigen, die etwa bis zum Jahr 2000 als Gemeinschaftshaus des Moshav diente. Danach durfte das Gebäude wegen Baufäl­ligkeit nicht mehr genutzt werden. Nun soll es wieder zu einem kulturellen Zentrum werden. Zwar ist das Dach bereits saniert; die Außenwände weisen jedoch Setzrisse auf, so dass weitere Arbeiten erforderlich sind. Deutschland hat finanzielle Hilfe zugesagt. Übrigens: Architekt der 1917 eingeweihten Kirche war Otto Lutz aus Haifa, der Vater des kürzlich ver­storbenen Dr. Wolfgang Lutz.

Jörg Klingbeil

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