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Zum neuen Jahr: »Was ich dir wünsche« - Jörg Zink
Ein letztes Fest? - Brigitte Hoffmann
»Ich schenke euch ein neues Herz...« - Karin Klingbeil
Neuigkeiten aus dem TGD-Archiv - Peter Lange
War Jesus wirklich hier? - Jörg Klingbeil
Nicht, dass du der schönste Baum bist, der auf dieser Erde steht.
Nicht, dass du jahraus, jahrein leuchtest von Blüten an jedem Zweig.
Aber dass dann und wann an irgendeinem Ast eine Blüte aufbricht,
dass dann und wann etwas Schönes gelingt, irgendwann ein Wort der Liebe ein Herz findet,
das wünsche ich dir.
Nicht, dass du so groß wirst wie ein Baum, so stark und reglos.
Aber dass du hin und wieder nach oben schaust, wo die Kronen sind und der Himmel.
Dass du stehen bleibst und nicht weiter rennst.
Dass du stehen lernst und wachsen wie ein Baum.
Denn du bist nicht am Ziel.
Du hast die Kraft in dir, die auch im Baum ist:
Die Kraft zu wachsen.
Du bist noch zu etwas berufen.
Bleib stehen. Schau nach oben
und fühle die Kraft aus Gott,
die wachsen will in dir.
Ich wünsche dir nicht,
dass du »frei« bist und ohne Menschen allein im weiten Land.
Ich wünsche dir Freunde, hilfreiche und störende,
solche, die du brauchst und solche, die dich brauchen.
Ich wünsche dir,
dass du Halt findest wie ein Efeu, an einem festen Stamm,
und die Kraft hast, ein Stamm zu sein für die, die du tragen sollst.
Das wunderschöne Bild von dem Morgenlicht-durchfluteten Wald hat Jörg Struve während unserer Gemeindefreizeit bei der Morgenwanderung von unserer Unterkunft nach Kisslegg gemacht. Selbst in schwarz-weiß und ohne dass man dabei war, vermittelt es das, was man im Wald spüren kann: ein sehr intensives Naturerlebnis, zumal das frühe Morgenlicht manche Bäume aus dem Dunkel des Waldes holt und in ein wunderbares Strahlen verwandelt.
So bildet es direkt die Ambivalenz ab, die der Wald z.B. im Märchen hat: als Raum des Wandels. Hier durchleben die Märchenfiguren einen Lern- oder Reifeprozess, der oft mit Prüfungen und Gefahren einhergeht. Hier strömen ihnen aber auch Kräfte zu, so dass der Wald für das Ungewisse steht, das einerseits als bedrohlich, andererseits aber auch als verheißungsvoll empfunden werden kann.
Damit verbindet sich der Wald mit unserem Ausblick auf das neue Jahr: möge das Ungewisse, was darin auf uns zukommt, nicht bedrohlich, sondern verheißungsvoll sein!
Bäume schließen sich oft über ihre Wurzeln zusammen. Dass es tatsächlich ein verflochtenes System ist, das die Bäume einer Art und eines Bestands miteinander verbindet, haben Wissenschaftler im Harz herausgefunden. Der Austausch von Nährstoffen, die Nachbarschaftshilfe im Notfall, ist anscheinend die Regel und führte zu der Feststellung, dass Wälder Superorganismen sind, also ähnliche Gebilde wie etwa ein Ameisenhaufen.
Doch warum sind Bäume derart soziale Wesen, warum teilen sie ihre Nahrung mit Artgenossen und päppeln darüber ihre Konkurrenz hoch? Die Gründe dafür sind dieselben wie bei menschlichen Gesellschaften: Gemeinsam geht es besser. Ein Baum ist kein Wald, kann allein kein lokales ausgeglichenes Klima herstellen, ist Wind und Wetter schutzlos ausgeliefert. Zusammen dagegen schaffen viele Bäume ein Ökosystem, das Hitze- und Kälteextreme abfedert. In so einem Umfeld können Bäume geschützt leben und uralt werden.
Jeder Baum ist also wertvoll für die Gemeinschaft und verdient es, so lange wie möglich erhalten zu werden. Deshalb unterstützt er sogar kranke Exemplare und versorgt sie mit Nährstoffen, bis es ihnen wieder besser geht.
Aus: Peter Wohlleben »Das geheime Leben der Bäume«
Im Jubiläumsjahr der Reformation will sich auch die »Warte« in loser Reihenfolge diesem Thema widmen.
Unter dem irritierenden Titel »Ein letztes Fest?« ging vor kurzem J. H. Claussen, der Kulturbeauftragte der EKD, in »Publik-Forum« (Nr. 18/2016) auf das Verhältnis von Reformation und Aufklärung ein; ich will über den lesenswerten Artikel in knapper Form berichten. Zunächst erinnerte der Autor daran, dass die Vorbereitungen auf das Jubiläumsjahr bereits seit zehn Jahren laufen, nicht nur wegen der zahllosen geplanten Veranstaltungen. Wichtiger als diese »Eventdramaturgie« sei den Verantwortlichen aber das Ziel gewesen, »2017« als Feier einer innerprotestantischen Ökumene von Lutheranern, Reformierten und Freikirchen sowie gemeinsam mit den Katholiken als »Christus-Fest« und »Heilung der Erinnerungen« zu begehen. Wenn man bedenke, unter welchen Vorzeichen vergleichbare protestantische Jubiläen seit 1517 abliefen bzw. vereinnahmt wurden, wie antikatholisch und anticalvinistisch, aber auch wie antidemokratisch und antiliberal, um nur einige Feindbilder anzudeuten, so sei der Fortschritt unverkennbar. Die weitgehend gemeinsame Agenda für das Jubiläumsjahr ist sicher ein Glückserlebnis für alle, die eine solche Gemeinsamkeit der Christen schon lange ersehnt haben.
»Heilung der Erinnerungen« ist in meinen Augen ein sehr treffender Begriff: die eigenen Erinnerungen werden mit den vielleicht gegensätzlichen des anderen wahrgenommen, gemeinsam und offen wird über Licht und Schatten beider Versionen nachgedacht, nicht mit Hass, sondern mit Respekt und der Bereitschaft zum Verstehen - auch dann, wenn Gegensätze bleiben -, nicht um Unterschiede einzuschmelzen, sondern das Gemeinsame über das Trennende zu stellen. Das ist ein mühsamer und nicht konfliktfreier Prozess. Aber schon die Verkündigung dieses gemeinsamen Ziels hat das Gesamtklima verändert. Ablesbar ist das bisher an einzelnen, früher undenkbaren Worten, Handlungen und Gesten. Die bisher vielleicht wichtigste war m.E. die Reise von Papst Franziskus nach Lund in Schweden zur Lutherfeier des Lutherischen Weltbundes, die er trotz heftigen Widerstands in seiner eigenen Kirche unternahm und die weltweite Anerkennung fand.
Claussen hält daher »2017« für »das erste wirklich aufgeklärte Reformationsgedenken« und für die epochale Chance, eine Versöhnung von Religion und Aufklärung zu thematisieren, was in der Vorbereitungsphase leider versäumt worden sei. Der Autor räumt allerdings ein, dass eine aufgeklärte Religion bindungsschwächer ist als eine autoritäre. Denn diese hat es viel leichter, Menschen zu vereinnahmen, beispielsweise durch Rituale und Traditionen, die ein Gemeinschaftsgefühl schaffen, durch das Verbot missliebiger Bücher, aber vor allem durch die Drohung mit ewiger Verdammnis unter gleichzeitiger Offerte der Hilfsmittel dagegen. Und durch Feindbilder, denn nichts hält eine Gemeinschaft fester zusammen als der Hass auf einen - echten oder eingebildeten - Feind. All das kann eine aufgeklärte Religionsgemeinschaft, die sich auf Freiheit beruft, nicht, auch nicht die Selbstgewissheit entwickeln wie die autoritären. Claussen: »Wer die Freiheit zum Prinzip der Vergemeinschaftung erheben will, muss damit leben, dass diese locker und brüchig bleibt.« Nicht von ungefähr seien auch die Kirchenaustritte, Gemeindezusammenlegungen und Kirchenschließungen in der Vorbereitungsphase weiter angestiegen, was nur »durch unverdiente steigende Kirchensteuern verdeckt« werde. Wer langfristig denke, könne das Reformationsjubiläum daher auch für ein »Abschiedsfest« halten (daher die Überschrift).
Hinzu komme eine - für eine aufgeklärte Religionskultur unvermeidbare - inhaltliche Unsicherheit. Heutige Kirchengemeinden seien oft keine Bekenntnisgemeinden mehr. Was sie verbinde, sei eher ein gemeinsames Suchen und Tasten, das sich weniger für die »große Bühne« des Reformationsjubiläums eigne. Das kann ein Segen sein - es führt zu mehr Freiheit und oft auch zu mehr ökumenischer Zusammenarbeit, oft aber auch zu mehr Beliebigkeit und mehr Gleichgültigkeit. Claussen spricht von der »Tragik des liberalen Christentums«, das »Segen und Fluch« zugleich sei, Segen hinsichtlich einer möglichen Erneuerung und Fluch wegen eines möglichen Zerfalls. Und insofern ist diese aufgeklärte Beschreibung des Zustands und der möglichen Zukunft der Reformation auch dann höchst lesenswert, wenn man nicht mit allen Feststellungen und Deutungen einverstanden ist.
Gott spricht: Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch. Hesekiel 36,26
Das ist die Jahreslosung für 2017 - wie immer ausgewählt von der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen (ÖAB), und zwar jeweils schon vier Jahre im Voraus. Sie soll kurz und prägnant sein, eine zentrale Aussage der Bibel darstellen und möglichst in besonderer Weise ermutigen, trösten, Hoffnung wecken oder auch aufrütteln und provozieren. Dabei wird der Spruch gelegentlich ziemlich verkürzt, so auch diesmal. In voller Länge lautet der Text: Und ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist in euch geben und will das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben. Ich will meinen Geist in euch geben und will solche Leute aus euch machen, die in meinen Geboten wandeln und meine Rechte halten und danach tun.
Der Prophet Hesekiel, der diese Gottesworte übermittelt, stammt aus einer Priesterfamilie und gehört zu den Ersten, die nach dem Sieg des Babyloniers Nebukadnezar über Jerusalem nach Babylon ins Exil geführt worden waren. Dieses Exil empfanden die gläubigen Juden als Strafe Gottes, weil das Volk permanent von seinem Gott abfiel; nach der anfänglichen Hoffnung, Jerusalem werde nicht ganz fallen und das Exil nicht lange dauern, stellte der Zusammenbruch dieser Hoffnung eine Katastrophe dar. Hier, im Exil, erhält Hesekiel eine neue Aufgabe, nämlich die des Trösters. Er soll dem Volk Israel sagen, dass das Gericht Gottes über Jerusalem nicht das Ende darstellen soll, sondern neues Leben - zu dem der Weg sich allerdings nicht verändert hat: Gottes Weisungen zu befolgen. Dann ist dem Volk Gottes die Rückkehr in das Land der Väter und neues Leben in Fülle verheißen.
Zur Unterstützung macht Gott die zitierte Zusage: Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch - ein Herz, das nicht aus Stein ist, sondern fähig ist zu einer lebendigen, emotionalen Beziehung, und Gottes Geist, der vermittelt, wie wir handeln sollen. Das schmälert nicht unsere Freiheit, uns für den einen oder den anderen Weg zu entscheiden, aber es kann unsere Sicht verändern.
Wir sind so beschaffen und fähig, dass wir uns auf unser Gegenüber einlassen und uns einfühlen können. Wenn wir das tun, wissen wir, was der andere braucht und was notwendig ist zu tun. In dieser Bibelstelle wird ganz deutlich, wie sehr unser Verhalten unseren Mitmenschen gegenüber gleichbedeutend ist mit unserer Beziehung zu Gott, denn wenn wir unseren Mitmenschen mit Herz begegnen, tun wir Gottes Willen.
So wünsche ich uns allen, dass wir im neuen Jahr diese Fähigkeit nach Kräften einsetzen!
Wieder gibt es aus unserem Templer-Archiv in Degerloch Aktuelles und Interessantes zu berichten:
Schon mehrmals bin ich beim Sichten unseres Bild-Archivs auf diese Aufnahme einer Versammlung von 35 Radfahrern in winkelförmiger Aufstellung gestoßen, deren Zustandekommen ich mir vornahm gelegentlich näher zu erforschen. Auf dem Bild war nämlich weder Zweck noch Zeitpunkt dieser fahrradsportlichen Veranstaltung angegeben. Allein das vorne aufgestellte Plakat gab einige Auskunft: »Radfahrsport Sarona«. Waren diese Männer und Frauen etwa alle aus Sarona? Bei einer Einwohnerzahl von 212 im Jahr 1926 und von 236 im Jahr 1930 müsste ja jeder sechste Saroner (einschließlich der Kinder und Alten) in diesem Radfahrverein mitgemacht haben. Allerdings ist nicht näher bekannt, in welchem Umkreis sich dieser Radfahrsport bewegt hatte. Fahrradhelme waren damals offensichtlich noch nicht in Mode gekommen oder nicht vorgeschrieben, und die stattdessen aufgesetzten Hüte werden sicher keine schnellen und weiten Radrennen erlaubt haben, ohne von den Köpfen der Sportler zu fliegen.
Ich zog zur weiteren Beantwortung dieser Frage zunächst Helmut Glenks Sarona-Buch heran, in dem dieses Bild auch wiedergegeben ist (mit der Erklärung: »Sarona Bicycle Club - men, women and children all participated«). Wie zu lesen ist, waren in den 1920er Jahren gemütliche Fahrrad-Ausflüge ins Land bei den Templern populär geworden, zum Beispiel an den Nordstrand von Jaffa, den heute während der warmen Jahreszeit überfüllten Badestrand der Tel-Aviver Einwohner. Mehr als das war aber nicht zu erfahren. Offensichtlich war es auch nicht die einzige Fortbewegungsart, für Ausflüge war oft auch ein Eselsritt, später auch eine Motorradfahrt in Mode gekommen.
Mein Erstaunen war nun nicht gerade gering, als ich im Verlauf meiner Nachforschungen in einem längeren Aufsatz des Schwarzwälders Hans Schabert, des Vorsitzenden des Kreisgeschichtsvereins Calw, das Radfahrer-Foto aus Sarona erneut entdeckte. Der verfasser hatte in seinem Artikel die starke Verbreitung des Radfahrsports in Württemberg beschrieben. »Radfahrvereine hatten in den 1920er-Jahren eine Blütezeit« stellte Hans Schabert fest, und entsprechende Vereinsfahnen seien heute noch im Heimatmuseum von Neuweiler zu sehen. Es könnten in den Bezirken Calw, Nagold und Neuenbürg in jener Zeit mehr als 30 Radfahrvereine nachgewiesen werden. Aus dem Aufsatz geht nun endlich hervor, dass es unser Templerfreund Martin Seeger aus Zwerenberg bei Calw war, der das Saroner Fahrrad-Foto in einem Museum in Israel entdeckt hatte, von wo eine Kopie dann auch ins TGD-Archiv gelangt ist. Autor Schabert nahm diesen »Fund« gerne in seinen Aufsatz hinein und titelte in humoristischer Weise: »Auch die Templer in Palästina radelten«.
Zu unserem Leidwesen müssen wir vom Tod von Ludwig Bez berichten. Er war weitläufig verwandt mit der Auswanderer-Familie Bez aus Mägerkingen und war von 1987 bis 2013 Geschäftsleiter des Pädagogisch-Kulturellen Centrums Ehemalige Synagoge Freudental gewesen. In dieser Funktion hat er maßgeblich dazu beigetragen, dass die ehemalige Synagoge Freudental heute ein Ort der Erinnerung, der Begegnung und des Lernens ist. Über Jahre hinweg hatte er auch persönlich Reisegruppen durch Israel und den Sinai geführt. Auf seine Initiative hin kam es ab 1983 zu engeren partnerschaftlichen Kontakten zwischen dem Oberen Galiläa und dem Landkreis Ludwigsburg. Wegen der Förderung deutsch-israelischer Freundschaft wurde ihm 2012 vom Kreistag die Verdienstmedaille des Landkreises verliehen. Ludwig Bez starb im Alter von 67 Jahren und hinterlässt Ehefrau und Tochter.
Immer wieder werde ich gefragt, was im Laufe der Jahre aus dem großangelegten religiös-pädagogisch-humanitären Werk des Syrischen Waisenhauses, einer Gründung Johann Ludwig Schnellers aus Erpfingen (Schwäb. Alb), geworden ist, das bis zum Zweiten Weltkrieg eine Flächenausdehnung erreicht hatte, die die Fläche der Jerusalemer Altstadt noch um einiges übertraf. Ähnlich wie in der Templersiedlung Sarona war das Schneller-Areal nach der Enteignung von israelischem Militär belegt gewesen. Nachdem diese Einheiten 2009 abgezogen wurden, erfolgten durch die Stadt Jerusalem Umgestaltungen der Gesamtanlage zu Wohnungen, Kindergärten und Kultureinrichtungen. Mitte dieses Jahres fand sich nun auch ein Investor, der das große Hauptgebäude käuflich erworben und die ersten Renovierungsarbeiten dort vorgenommen hat. Wie man in dem Bericht von Dr. Uwe Gräbe, dem Geschäftsführer des Evangelischen Vereins für die Schneller-Schulen, im »Schneller-Magazin 4/2016« lesen konnte, ist in diesem Gebäude ein »Museum israelischer Gemeinschaften« geplant. Der Investor denkt dabei an jüdische Gemeinden, deren Existenz in den umliegenden arabischen Staaten als Folge der israelischen Staatsgründung geendet hatte. Weitere Entwicklungen in der Waisenhaus-Verwertung bleiben abzuwarten.
Die mittels Austauschtransport aus Palästina während des Zweiten Weltkriegs nach Deutschland gekommenen Templer mussten sich sofort nach Ankunft wegen möglicher Tropenkrankheiten im Tübinger Tropengenesungsheim untersuchen lassen. Ich selbst war auch 1942 davon betroffen, andere haben mir ebenfalls von dieser Maßnahme berichtet.
Erst jetzt habe ich erfahren, dass das Tropengenesungsheim - heutige Bezeichnung »Tropenklinik Paul-Lechler-Krankenhaus« eine Gründung des »Deutschen Instituts für Ärztliche Mission e.V. (Difäm)« gewesen ist, das sich für eine bessere Gesundheitsversorgung in benachteiligten Ländern und Regionen, vor allem für vernachlässigte Menschen, eingesetzt hat.
Dem 110-jährigen Bestehen des Missionsärztlichen Dienstes und dem 100-jährigen Bestehen der Tropenklinik Paul-Lechler-Krankenhaus hat das Landeskirchliche Archiv in Stuttgart vor Kurzem eine Ausstellung gewidmet, die interessante Einblicke in das zertifizierte Kompetenzzentrum für Alters- und Palliativmedizin der Tropenklinik ermöglichte. Bei der Eröffnung der Ausstellung am 10. November waren auch einige Templer anwesend. Historiker Dr. Jakob Eisler führte in die Arbeit dieser bedeutsamen Gesundheitseinrichtungen ein.
Ich habe schon des Öfteren in Gesprächen die Ansicht vertreten, dass wir Templer in der gegenwärtigen Zeit in unserem Land bekannter sind als je zuvor. Zwar hatten die Templer-Vorfahren in ihrer Gründungszeit in Württemberg mit ihrer Auswanderungsidee einen sehr großen »Wirbel« verursacht, doch über die schwierige Verwirklichung des gemeinschaftlichen Siedlungswerks in Palästina hatte in Deutschland damals kaum jemand etwas erfahren, trotz aller Publikationen, die von Jerusalem aus herausgegeben worden waren.
Heute sorgen viele Medien in Hörfunk, Fernsehen und Presse dafür, dass das historische Siedlungs-Unternehmen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wird. So besuchte vor etlichen Wochen der Dresdener Journalist Wolfram Nagel unser TGD-Archiv in Degerloch mit der Absicht, einen Hörfunkbeitrag zu konzipieren. Er führte dazu mit Jörg und Karin Klingbeil und mir ein längeres Interview, das auf Datenträger aufgenommen wurde. Mit Audio-Ausschnitten des Interviews hat er dann eine 26-minütige Hörfunk-Sendung für das Kulturradio Berlin-Brandenburg zusammengestellt, die am 1. Adventssonntag (27. November) morgens um 9.04 Uhr mit dem Titel »Gott und die Welt - Christliche Siedler im Heiligen Land« ausgestrahlt worden ist.
Ich muss sagen, dass ich in all den letzten Jahren keine Darstellung der Auswanderung der Templer und ihres Siedlungswerks samt Schilderung des heutigen Templerlebens in Stuttgart und Australien gehört oder gesehen habe, die so ausgewogen und fehlerfrei war wie diese hier. Dem Autor, der auch Israel besuchte und bei dieser Gelegenheit ein Gespräch mit dem uns freundschaftlich gesinnten Historiker Prof. Haim Goren führte, sei unsere volle Anerkennung für die Qualität seiner Sendung ausgesprochen. Interessenten konnen sich die Sendung als Audio-Aufnahme noch bis Ende November 2017 in der Mediathek des rbb Kulturradios anhören.
In ihrem November-Heft berichtete die »Warte« über die Gedenk-Veranstaltungen unserer australischen Templerfreunde zu dem inzwischen verflossenen Jubiläum »75 Jahre Templer in Australien«. Inzwischen haben wir auf elektronischem Weg auch das Erinnerungsheft der TSA darüber erhalten und dürfen feststellen, dass es schon lange nicht mehr eine so bunte, interessante und bewegende Publikation über das Templerleben gegeben hat wie dieses Bilder-Album, das Interessenten jetzt auch in gedruckter Form bestellen können (es wird dort »Pictorial Booklet« genannt). Bestellungen sind auch über Telefon 0061-3-9557-6713 möglich.
Eine besondere Bedeutung hat dieses Album durch die Vielzahl seiner Bilder von den verschiedensten Stufen des Aufbaus der TSA und ihrer Gemeinden in Boronia, Bayswater, Bentleigh und Sydney sowie von Höhepunkten des Gemeindelebens wie Konfirmationen, Sommerfesten und anderen Zusammenkünften. Ausführlich beschrieben ist im Booklet die Deportation von 660 Deutschen (536 davon Templer) auf der »Queen Elizabeth« aus Palästina nach Australien in die Internierungslager Tatura und Loveday sowie die Mitgliederbewegungen von und nach Australien in der Folgezeit.
Seinen hohen geschichtlichen Stellenwert erhält das Album durch die namentliche Nennung der auf den Bildern dargestellten Personen. Es muss für die beiden Herausgeber Renate Weber und Doris Frank eine gewaltige Aufgabe gewesen sein, alle diese Namen festzustellen und unter die Bilder zu setzen. Sie haben damit ihrer Geschichtsdarstellung einen bleibenden Wert verliehen. Dafür möchte ich Ihnen meine hohe Anerkennung aussprechen.
Außer den allgemeinen Angaben zu den geschichtlichen Fakten der TSA sind im Album auch noch persönliche Erlebnisberichte eingebaut von Leni Löbert, Uli Höfer, Erich Wächter, Günther Schnerring, Inky Arndt, Helga Löbert, Dieter Glenk und Gudrun Dimpfel. Hinzu kommt ein farblich hervorragend wiedergegebenes Bild des dreiteiligen Wandteppichs, der durch seine textile Gestaltung des geschichtlichen Weges der Templer in meiner inhaltlichen Aufzählung hier einen Sonderpunkt verdient hat.
Enthalten sind im Album auch einige wichtige historische Fakten der TSA, die nicht so ohne Weiteres irgendwo nachzuschlagen sind, wie z.B. Geburten im Interniertenlager Tatura (45), Todesfälle während der Internierung (11), Freilassung aus der Internierung (ab August 1946 bis 1948), Erwerb des ersten Gemeindehauses in East Malvern (26. März 1950), Gründungsdatum der TSA (20. August 1950), erstes Templertreffen (in Mornington), erster Gottesdienst unter Leitung von Wilhelm Eppinger (in Melbourne, Russell Street).
Nicht unerwähnt bleiben soll in diesem Zusammenhang der Erzähl-Bericht von Helmut Ruff über den Templer-Transport mit dem Ozeanriesen »Queen Elizabeth« von Ägypten nach Melbourne im August 1941, der von Jörg Struve seit Kurzem in das Menü »Geschichte« unseres Internet-Auftritts eingebunden worden ist. In dieser Rückerinnerung der »Reise ans Ende der Welt« wird die ganze Tragik und innere Zerrissenheit der Deportierten spürbar, denen damals von den Mandatsstellen nicht einmal der Zielort der plötzlich angesetzten Schiffsreise genannt worden war.
Dem neuen Bilder-Album der TSA wünschen wir eine weite Verbreitung.
Peter Lange, TGD-Archiv
Mit Beginn des Jahres 2017 tritt im Degerlocher Archiv der TGD eine personelle Neuregelung ein.
Neuer Betreuer, und damit Ansprech-Person bei Anfragen, wird dann an meiner Stelle Jörg Klingbeil sein. Ich bin sehr glücklich darüber, dass Jörg, der seine berufliche Tätigkeit beendet hat, seine Zusage dazu geben konnte. In den letzten Wochen und Monaten hat er sich schon erfreulich gut in die Systematik und Aufgabenstellung unseres Archivs eingearbeitet. Damit ist eine Kontinuität im Betrieb dieser seit 50 Jahren bestehenden Einrichtung unserer Gemeinde gegeben (Hans Lange, Gründer und erster Betreuer, war bis 1995 tätig, Brigitte Kneher 1995 bis 2008, Peter Lange 2008 bis 2016).
Über die Bedeutung unserer Archivarbeit habe ich mich schon verschiedentlich in Zeitschrift und Gebietsleitung geäußert. Mit Sammlung und Auswertung geschichtlicher Schriften und Unterlagen stärken wir das Wissen um die geschichtliche Entwicklung unserer Glaubensgemeinschaft und geben uns damit ein unaufgebbares Selbstwertgefühl. Jede neue Generation von Menschen, die in unseren Mitgliederkreis eintreten oder hineinwachsen, braucht diesen Hintergrund und dieses Wissen um das Vorangegangene, um zu einer eigenen Sinnfindung zu gelangen.
Für die Gegenwart sehe ich in der Archiv- und Geschichtsarbeit folgende wichtige Tätigkeiten von Bedeutung und Belang:
1. Sammlung familienbezogener Daten heutiger (und früherer) Mitglieder, ihrer Vorfahren und deren Herkunftsorten, Ortsveränderungen (Aus- und Einwanderung), gemeindebezogenen Ereignissen (Darstellung, Konfirmation, Tätigkeit und Funktion in der Gemeinde).
2. Darstellung unserer Tempelgeschichte in der breiten Öffentlichkeit durch Vorträge und Bildpräsentationen, Teilnahme an Ausstellungen und Konferenzen, Herausgabe von Schrifttum mit geschichtlichem Charakter, Veröffentlichungen in der »Warte des Tempels« und in anderen Zeitschriften.
3. Beratung von Personen, die unsere Geschichte (oder Teile davon) in schulischen oder akademischen Arbeiten darstellen möchten. Beratung von Denkmalschützern, die an Orten unserer Geschichte Restaurierungsarbeiten durchführen (z.B. in Israel).
Ich habe in meiner 9-jährigen Tätigkeit die Archivarbeit nicht etwa als Belastung oder einseitige Ausrichtung empfunden, im Gegenteil, ich hatte in meinen davor liegenden Lebensjahren nie etwas Spannenderes und Aufregenderes erlebt als das Eintauchen in die Ereignisse der Vergangenheit. Mein »Horizont« hat sich dabei in ungeahnter Weise erweitert, mein Blick für menschliche Schicksale von Fall zu Fall geschärft.
Das bedeutet, dass ich jetzt nicht etwa »alle Zelte abbrechen« möchte, sondern im Hintergrund dort aushelfen werde, wo mein Rat oder meine Hilfe erwünscht ist. Ich werde weiterhin unter der gewohnten E-Mail-Adresse erreichbar sein, nicht aber als erster Ansprechpartner des TGD-Archivs fungieren. Meinem Freund Jörg Klingbeil wünsche ich dieselben bewegenden Erfahrungen, die ich in den Jahren meines Archivdienstes erlebt habe, und grüße alle Freunde, die uns durch ihre Hilfestellung bisher geholfen und bereichert haben und deren Mitarbeit wir hoffentlich auch weiterhin erbitten dürfen.
Das offizielle Ausscheiden Peter Langes aus dem Amt des Archivleiters bedeutet eine gravierende Zäsur. Wie seine beiden Vorgänger hat er in der Archivarbeit eigene Akzente und Schwerpunkte gesetzt. Insbesondere die Familienforschung hat er eindrucksvoll ausgebaut und mittlerweile über 20.000 Datensätze in der genealogischen Datenbank angelegt. Auch dadurch ist das Archiv zur begehrten Anlaufstelle für Anfragen aus aller Welt geworden. Durch zahlreiche Kontakte mit anderen Familienforschern und Historikern sowie durch Vorträge hat Peter Lange auch als Archivleiter die Tempelgesellschaft über den engen Wirkungskreis unserer Gemeinschaft hinaus bekannt gemacht. Dies ist nicht hoch genug einzuschätzen.
Seine Arbeit bildet ein zuverlässiges Fundament auch für die künftige Geschichtsarbeit der TGD. Für seinen unermüdlichen Einsatz, seine Hartnäckigkeit beim Erschließen neuer Quellen und seine zahlreichen Wartebeiträge über die Archivarbeit möchte ich ihm im Namen aller Mitglieder herzlichen Dank und aufrichtige Anerkennung aussprechen.
Mit großem Respekt, aber auch mit Freude, trete ich die Nachfolge von Peter an. Ich bin froh, dass er im Hintergrund weiter mitwirken wird. Geschichte war schon in der Schule mein Lieblingsfach und später ein Schwerpunkt im Studium. Die Fortsetzung der Archivarbeit mit den von Peter Lange genannten Schwerpunkten ist wichtig. Auch die TSA widmet sich mit neuen Ideen verstärkt diesem Thema.
Das Archiv ist das dokumentierte Gedächtnis unserer Gemeinschaft und wird in seiner Bedeutung in dem Maße noch zunehmen, wie die »Erlebnisgeneration«, die Palästina aus eigener Anschauung erfahren hat, nicht mehr für Auskünfte zur Verfügung steht. Außerdem hat sich - so viel Offenheit muss sein - niemand anderes für diese Aufgabe gefunden, obwohl wir sie in der Warte mehrfach ausgeschrieben hatten. Es wäre schade, wenn die Archivarbeit mangels »Freiwilliger« zum Erliegen käme oder das Archiv an eine andere Einrichtung abgegeben werden müsste.
»War Jesus wirklich hier?« - so ist ein Artikel in der Dezember-Ausgabe des evangelischen Magazins »chrismon« überschrieben, das manchen Tageszeitungen als monatliche Beilage beigegeben wird. Darin wird Dieter Vieweger, der Leiter des »Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes«, auf einem archäologischen Rundgang durch Jerusalem begleitet. Der 58-jährige Archäologe scheut sich nicht, mit den Mythen und Legenden aufzuräumen, die sich beispielsweise rund um die einzelnen Stationen auf dem berühmten Kreuzweg Jesu in der Jerusalemer Altstadt, der Via Dolorosa, ranken.
Das angebliche »Gefängnis Jesu«, das in einem griechisch-orthodoxen Kloster rechts des Weges gezeigt wird? Kaum möglich, so Vieweger, die Station wurde vom Patriarchat erst 1874 identifiziert und dabei wurden vorhandene Felshöhlen kurzerhand zum Gefängnis umdeklariert. Und die Station, wo Simon von Kyrene dem entkräfteten Jesus das Kreuz abgenommen haben soll? Diese kam erst 1895 dazu, also auch eher eine Legende. Etwa gleichzeitig entstand die Kapelle, wo angeblich Veronika Jesus das berühmte Schweißtuch reichte. Also ebenfalls frei erfunden, zumal in der Bibel überhaupt keine Veronika erwähnt wird. Für Dieter Vieweger ist klar: Jesus ist an diesen Stationen überhaupt nicht vorbeigekommen. Einiges ist aber tatsächlich antik auf der Via Dolorosa, beispielsweise der Ecce-Homo-Bogen am Beginn des Kreuzwegs, allerdings stand auch er noch nicht zu Zeiten Jesu, sondern wurde - wie archäologische Ausgrabungen ergeben haben - erst 100 Jahre später gebaut, als Kaiser Hadrian die Stadt neu errichten ließ. Zu Jesu Zeiten, so Vieweger, war dort ein tiefer Burggraben. War Jesus denn niemals auf der Via Dolorosa gelaufen?
Dieter Vieweger, der gebürtige Sachse, sieht das nüchtern: Wenn, dann 14 Meter tiefer, denn Jerusalem liege auf aufgeschüttetem Gelände. Aufgewachsen in der DDR, konnte er schon als Jugendlicher auch andere, politische Mythen nicht leiden und verdarb sich durch Aufmüpfigkeit die Schulkarriere. Evangelische Theologie konnte er aber auch ohne Abitur studieren, schließlich promovieren und sogar Professor für Altes Testament an der Humboldt-Universität in Berlin werden. Dann aber mit 30 Jahren ein Kurswechsel: Vieweger wechselte an die Universität Wuppertal und begann mit dem Studium der Archäologie, weil er seinen Studenten nicht »tausendfach untersuchte Texte« noch einmal erklären, sondern »richtig was entdecken« wollte. Zum Beispiel den genauen Verlauf der Stadtmauer zu Jesu Zeiten.
Nach dem südwestlichen Teil hat Vieweger bereits 2015 gegraben, aber andere Abschnitte liegen unter der Altstadt, die man trotz aller Neugier nicht beliebig aufgraben kann. Vieweger geht mittlerweile davon aus, dass Jesu Weg nach Golgatha nicht von Ost nach West führte, wie die heutige Via Dolorosa verläuft, sondern eher von Süd nach Nord, nämlich vom Palast des Herodes in der Nähe des heutigen Jaffa-Tores, wo nach Vieweger Pilatus das Urteil gesprochen haben könnte, in Richtung Grabeskirche, wo die »Schädelstätte« wohl tatsächlich gelegen habe. Dort habe sich früher ein stillgelegter Steinbruch befunden samt Grabhöhlen und angrenzenden Gärten. Die Felskanten des Steinbruchs sind unter der Grabeskirche noch heute zu sehen. Aktuell führt Dieter Vieweger Grabungen unter der in der Nähe gelegenen evangelischen Erlöserkirche durch und hat bereits ein Georadarmessgerät nach unten schaffen lassen, um den genauen Verlauf der Stadtmauer nachweisen zu können.
Dieter Vieweger residiert mit seinem Institut übrigens in einem ehemaligen Gärtnerhaus des Auguste-Victoria-Hospitals, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch durch Handwerker aus den Reihen der Templer erbaut wurde. Das Archäologische Institut weist auch andere Bezüge zur Templergeschichte auf: Gleich am Eingang ist ein Landvermessungsgerät von Gottlieb Schumacher zu bewundern, von dessen Grabungsarbeiten im Nahen Osten die Archäologen bis heute profitieren. Hergestellt von Carl Zeiß Jena - beste Qualität eben, meint Dieter Vieweger. »Ich bin begeistert von dem, was Deutsche damals für das Land gemacht haben«, fügt er hinzu und meint damit vielleicht auch die Templer, bestimmt aber Conrad Schick, der schon 1846 als Missionar nach Palästina kam und u.a. dreidimensionale Modelle von Jerusalem anfertigte, die z.B. im Gästehaus der Christ Church stehen. Für den Tempelberg dachte sich Conrad Schick dabei eine nette Spielerei aus, die heute für politische Turbulenzen sorgen würde: Die Grundplatte mit dem Felsendom und der Al-Aksa-Moschee lässt sich durch den herodianischen Tempel aus der Zeit Jesu ersetzen. Jüdische Extremisten fordern immer wieder diesen Wechsel - in echt, nicht nur im Modell.
Buchtipp: Dieter Vieweger »Abenteuer Jerusalem«. Gütersloher Verlagshaus 2011, 17,99 €