Wir waren eine recht kleine Gruppe gutgestimmter, fröhlicher Menschen, die sich am 28. März im Saal trafen. Die Tische waren schön gedeckt und Gridle hatte den Frühling in Form von bunten Blumen mit eingeladen und diese auf den Plätzen verteilt. Von Rumi wurden wir mit Klaviermusik von Schumann auf die Agapefeier eingestimmt und von Karin, wie immer, herzlich willkommen geheißen. Auch derer, die bei der Feier nicht dabei sein konnten, wurde bei der Begrüßung gedacht.
Interessant fand ich Karins Ausführung, dass schon in der »Warte« von 1887 über ein Stiftungs- und Versöhnungsfest im Jerusalemer Saal berichtet wurde, das am Gründonnerstag stattfand. Es kamen ca.100 aktive Mitglieder, die nach dem Hereintragen von Brot und Wein vom Tempelvorsteher Christoph Paulus begrüßt wurden. Er sprach auch über die hochwichtige Bedeutung dieses Gemeindemahls, bevor Theodor Sandel das Tischgebet sprach.
Offenbar wurde dann diese Art der Versammlung nicht mehr weitergeführt, bis sie 1999 das erste Mal als »Agape - Feier« wieder ins Leben gerufen wurde. Diese zur Tradition gewordene Feier fand also dieses Jahr zum 25. Mal statt. Eine silbernes Fest also - in Anlehnung an die »silberne Hochzeit« - ging mir da durch den Kopf.
Auch unsere Schwestergemeinde in Australien hat die Agape-Feier bei sich zur Tradition gemacht. Etliche Stunden unserer Zeit voraus, schickten sie uns durch Renate Weber und Herta Uhlherr nach der Feier ihre Grüße.
Bestimmt war unsere Feier, wenn auch nur in kleinem Rahmen, genauso schön und stimmig, nur beim Hände reichen, beim Gebet vor dem Beginn des Mahles, mussten wir uns sehr strecken, um einander erreichen zu können, haben das aber mit viel Humor gut hin bekommen. Karins Ansprache - die ich sehr gekürzt wiedergeben möchte - berührte und ging zu Herzen.
Nach dem gemeinsamen Lied »Du hast uns Herr gerufen« ging Karin auf Wesen und Sinn einer Agape (griechisch für Liebe) ein. Im Neuen Testament steht es für die sich in Christus zeigende Liebe Gottes zu den Menschen, besonders zu den Armen, Schwachen und den Sündern, aber auch für die Nächstenliebe, Feindesliebe und die Liebe zu Gott. In den frühen Christengemeinden wurde das Wort schon bald mit dem gemeinsamen Mahl, dem »Liebesmahl« in Verbindung gebracht.
Diese gemeinsamen Mahle haben verschiedene Ursprünge. Schon in vorchristlicher Zeit wurden in verschiedenen Religionen heilige oder mythische Mahle eingenommen. Unübersehbar auch der Ursprung aus dem Judentum, wo heute noch vor dem Sabbat und ganz besonders vor dem Passahfest das Sedermahl gefeiert, Brot und Wein gesegnet und Gott für beides gedankt wird.
Wir feiern Agape zum Gedenken an Jesu, dem vor allem die Gemeinschaft wichtig war. Das Zusammenkommen und miteinander Essen. »Mich hat herzlich danach verlangt, dies Passah-Lamm mit euch zu essen, bevor ich leide« (Lukas 22,15) und »Das tut zu meinem Gedächtnis« (Lukas 22,19). Zwei wichtige Aspekte des Agape-Mahls als ein Mahl der Erinnerung an Jesus als Mensch, Lehrer, Helfer, als Gottes Beauftragter.
Zu Beginn des Brotbrechens verwies Karin darauf, dass uns Jesus in dieser Handlung ganz gegenwärtig ist. Wie oft steht in der Bibel: er nahm das Brot, dankte immer zuerst Gott, brach’s und verteilte es. Und es wurden immer alle satt - oft mehr, als vernünftigerweise zu erwarten war.
In diesem Teilen und Geben und Nehmen liegt viel von dem, was uns Jesu gelehrt hat. Die Symbolik des Brotbrechens liegt auch an der Teilhabe aller an einem Laib Brot.
Mit den Worten: »Gelobt seist du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der du das Brot der Erde hervorbringst«, die auch Jesu so gesprochen haben könnte, kam Karin zum Beginn des Weinausschenkens. Auch der Wein hat symbolische Bedeutung. Brot und Wein sind der Inbegriff dessen, was der Schöpfer die Erde für uns hervorbringen lässt. Damit können wir Hunger und Durst stillen. Sicher wird nicht zu jedem Mahl Wein getrunken, aber bei feierlichen Anlässen, wie der Hochzeit zu Kana oder beim Passah-Mahl spielt er eine zentrale Rolle und auch beim letzten Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern wurde er getrunken. Auch jetzt sprach Karin die Worte, die möglicherweise so von Jesu gesprochen wurden: »Gelobt seist du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der du die Frucht des Weinstocks geschaffen hast.«
So wird das Mahlhalten Jesu zum Zeichen. Zum Mahl kehrt er bei Pharisäern ein, ist Gast bei Zöllnern und Sündern, Mahlherr bei der wunderbaren Speisung einer großen Menschenmenge und mit einem Mahl nimmt er am Ende seines Lebens Abschied von seinen Jüngern. Es geht ihm dabei nicht um Essen und Trinken und zumindest auch nicht primär um die Gemeinschaft mit Gott, sondern um die Tischgemeinschaft.
»Mich hat es herzlich verlangt, dies Passah-Lamm mit euch zu essen« - das entspricht einem menschlichen Urbedürfnis. In allen Kulturen feiern Menschen, indem sie zusammen essen und trinken, Geburt, Tod und religiöse Feste. Gemeinsam Essen bedeutet auch Zeit für einander zu haben, etwas zusammen zu tun, das Freude macht. Man teilt nicht nur das Essen, sondern auch Gefühle, Freude, Trauer, Sorgen.
Das wollte Jesu beim letzten Abendmahl, das wollten die frühen Christengemeinden bei ihren Agape-Feiern: sich in der Gemeinschaft stärken und sich gegenseitig Kraft geben. Und auch wir suchen heute wohl ein wenig von dieser Kraft in der Gemeinschaft.
Wir fassten uns an den Händen (so gut es ging) während Karin ein Gebet sprach: »Du Gott bist die Liebe. Knüpf du das Band der Liebe zwischen uns. Lass uns miteinander verbunden sein - deine Verbündeten, erfüllt vom Geist des Teilens. Lass uns achtgeben aufeinander, damit jeder zu Hause ist, sich geliebt weiß - hier am Tisch und wenn wir voneinander getrennt sind. Wir wollen auch all jener gedenken, die nicht in unserer Runde sein können und Kraft und Unterstützung nötig haben und unsere guten Gedanken gebrauchen können.« Dem folgte, wie alljährlich, das Friedensgebet.
Und wie bei allen vorangegangenen Agape-Feiern schmeckte uns nun, in fröhlicher Gemeinschaft und bei angeregten Gesprächen, das Brot, der Wein oder Traubensaft, Hummus, Tomaten, Oliven und Käse köstlich. Ich glaub, wir ließen nicht viel übrig.
Nach dem einfachen, aber guten Mahl sangen wir noch gemeinsam: »Komm Herr segne uns, dass wir uns nicht trennen...« und beteten das Vaterunser.
Mit Rumi am Klavier und Schumanns »Waldszenen« ging die Agape-Feier zu Ende.
Es wurde noch in Grüppchen zusammen gestanden und geschwätzt. Einige erstanden noch die hübschen von Rumi angefertigten Quilling-Osterfigürchen oder halfen beim Aufräumen, bevor es dann tatsächlich nach Hause ging.
Und mir bleibt nun noch Dank zu sagen: Karin für Ihre Ansprache, Rumi für ihr wunderschönes Klavierspiel, Gridle für den Blumenschmuck und allen Dreien für die Vorbereitung und das gute Gelingen. Tausend Dank euch von Herzen.