Vor unserer Reise nach Israel war unser Bild von diesem Land noch relativ verschwommen. Natürlich hatten wir von den Konflikten vor Ort gehört und wussten, dass unsere Großeltern dort einmal gelebt hatten. Aber was das genau bedeutet, war vermutlich keinem von uns wirklich klar, bevor wir dort waren. Am ersten Tag am Flughafen von Tel-Aviv stellte jemand auf einmal die Frage in den Raum: »Wisst ihr eigentlich Bescheid, was die Templer hier genau gemacht haben und wofür sie stehen?« Zwar hatten wir alle eine vage Vorstellung, von Abspaltung von der Evangelischen Kirche, über Agraranbau und schwäbisches Handwerk bis hin zur Rückkehr im Zweiten Weltkrieg, aber an das, was wir im Laufe der Reise erfuhren, kam es nicht heran.
Direkt nach der Ankunft besichtigten wir die ehemalige Kolonie Wilhelma, in der die Vorfahren von Eva gelebt hatten. Es war ein komisches Gefühl sich vorzustellen, dass die eigenen Vorfahren hier einmal gelebt haben. Und nachdem von dem ehemaligen Friedhof, abgesehen von einigen Mauerresten, nichts mehr übrig war, erinnerte außer einigen Häuser nicht mehr viel an deren dortige Existenz.
Ganz anders war dies hingegen in Haifa. Kaum angekommen, machten wir uns auf den Weg durch die Koloniestraße hinauf auf den Carmel zu den atemberaubenden Bahá’í-Gärten. Bereits im Vorbeigehen konnten wir einige Infotafeln zu den Templerhäusern erspähen und spätestens der interessante Bericht des stellvertretenden Generalsekretärs des Bahá’í-Weltrates zu den Verflechtungen der beiden Glaubensgemeinschaften zeigte uns, welchen großen Einfluss die Templer in dieser Gegend gehabt haben mussten.
An den darauf folgenden Tagen in Jaffa und der Kolonie Sarona wurde dieser Eindruck weiter verstärkt, insbesondere in Sarona, wo wir mit einigen Israelis ins Gespräch kamen, die im Rahmen ihres Unterrichts ein Projekt zu den Templern bearbeiteten. Es war sehr interessant zu sehen, wie viele Menschen sich dort vor Ort mit diesem Teil der Geschichte und den Deutschen Kolonien dort auseinander setzten und wie sie diese weitgehend unabhängig vom Deutschen Reich des Zweiten Weltkriegs betrachten können.
Auf der anderen Seite war es sehr interessant, Israel und seine Kulturen kennen zu lernen. Die durchgängige Separation und Teilung in arabische und jüdische Städte bzw. Stadtteile, abgesehen von wenigen Ausnahmen, und die generelle Unterscheidung in der anzuwendenden Sprache fielen uns besonders ins Auge. Vor allem die Fahrt durch das Westjordanland, in dem quasi ausschließlich jüdische Siedlungen für uns sichtbar waren und die Stadt Jericho, die sich mit einem streng kontrollierten Grenzzaun und Wachposten unter Androhung von Lebensgefahr für die jüdische Bevölkerung ihr Existenzrecht sichern muss, waren sehr bewegend. Erstaunlich war hierbei aber auch die große Gastfreundschaft, sowohl der arabischen, als auch der jüdischen Bevölkerung uns als Deutschen gegenüber. Gerade die junge jüdische Generation verbindet mit Deutschland nicht mehr nur die Grausamkeit des Zweiten Weltkriegs, sondern kann dies als dunklen Teil der Geschichte akzeptieren und der jungen deutschen Generation eine neue Chance geben.
Auch mit diesem Kapitel der deutsch-israelischen Geschichte kamen wir an mehreren Punkten unserer Reise in Berührung. Der Besuch des Immigrationslagers in Atlit, in dem sowohl die Juden im Verlauf und hauptsächlich nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Israel ankamen, sowie unsere Vorfahren im Gegenzug von den Briten zurück nach Deutschland geschickt wurden, vergegenwärtigte uns erstmals, unter welchen Bedingungen die Gründung Israels und das Ende des Zweiten Weltkriegs dort vonstatten ging. Weitaus bewegender war der Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem, der die Verbrechen des NS-Regimes in einer unbeschreiblichen Art und Weise verdeutlichte und uns alle im wahrsten Sinne des Wortes sprachlos machte, sodass wir noch mehrere Stunden benommen von diesen Eindrücken kaum miteinander sprachen.
Die Atmosphäre in unserer Gruppe war von Anfang an sehr vertraut und familiär, obwohl wir uns zum größten Teil untereinander nicht kannten bzw. jahrelang nicht gesehen hatten. Es war für uns alle eine tolle Möglichkeit, sich mit der Geschichte unserer Familien auseinander zu setzen und das eigene Interesse an der Tempelgesellschaft zu wecken. So sind wir alle mit vielen unvergesslichen Erinnerungen von dieser Reise zurückgekommen, die uns vermutlich auch noch nachhaltig beeinflussen werden.
Adnan, der nette Friedhofsgärtner aus Haifa, hatte uns zu sich nach Hause zum Abendessen eingeladen. Da wir schon vorgewarnt wurden, haben wir, soweit es ging, auf ein Mittagessen verzichtet, damit wir abends auch gut essen konnten. Nach einem wirklich richtig guten Essen, einigen alten Fotos und netten Gesprächen fielen wir alle glücklich und zufrieden ins Land der Träume.
Tel Aviv zeigte uns Israel von einer komplett anderen Seite. Wo waren auf einmal die ganzen orthodoxen Juden, die verrosteten Autos, die kleinen niedlichen Häuser? Plötzlich befanden wir uns in einer hochmodernen Stadt, die so westlich war, dass man genau so auch in Frankfurt sein konnte. Doch inmitten dieser großen Stadt waren wir dann in Sarona, einem kleinen Stadtteil von Tel Aviv, in dem vor fast 150 Jahren schon die ersten Templer Fuß fassten. Ein Haus war schöner als das andere und irgendwie wirkten diese kleinen Häuser richtig niedlich neben den riesigen Hochhäusern.
Heute hieß es ordentlich frühstücken, denn wir hatten eine Tagestour im En Gedi-Nationalpark am Toten Meer geplant. Also packten wir unsere Rucksäcke. Die Verpflegung wurde auf neun Rucksäcke verteilt, zusätzlich lief jeder mit 3-4 Litern Wasser los. Nach einem kurzen Fußmarsch erreichten wir den Eingang des Nationalparks, wo uns freundlich mitgeteilt wurde, dass der von uns geplante Weg wegen des Regens gesperrt sei. Nach der für den ein oder anderen ernüchternden Nachricht planten wir um und entschieden uns, nur bis zu den Wasserfällen zu gehen. Ein wirklich traumhafter Ort. Den Weg zurück gestalteten wir mit einem Abstecher hoch zu den En Gedi-Quellen, welche sich praktisch direkt hinter der Jugendherberge befanden. Nachdem wir wieder in der Jugendherberge waren, entschieden wir uns, noch im Toten Meer zu baden, beziehungsweise man könnte eher sagen: uns treiben zu lassen. Nach einem entspannten Abend am Meer ging es wieder zurück in die Juhe, wo in der Zwischenzeit eine riesige Gruppe von Schülern eingecheckt hatte. Viel Spaß am Buffet zum Abendessen wünscht ihnen ihre Reiseleitung. Gute Nacht! ;)
Nach einem wunderschönen Morgen machten wir uns auch schon wieder auf die Weiterreise. Jörg hat sich größte Mühe gegeben, die 250-Kinder Reisebusse mit unserem schnittigen 9-Sitzer abzuhängen. Die Handbremse gelöst, flog die Kupplung von einem Gang in den nächsten und der israelische Fahrstil wurde adaptiert. Wechselhaftes Wetter begleitete uns, die Wolkendecke riss jedoch auf, als wir die Ausgrabungen der römischen Stadt von Bet She’an anschauten und machte uns die Bühne im Amphitheater für einen kurzen spontanen Auftritt frei. Letztlich erreichten wir bei Sonnenschein unsere Jugendherberge Karei Deshe am See Genezareth. Erleichtert checkten wir ein, die Freude verging uns jedoch schnell, als uns gesagt wurde, wir sollen besser 30 Minuten früher zum Essen erscheinen, um der großen Kindergruppe aus dem Weg zu gehen. Und ganz ehrlich, diese Kindergruppe war noch viel schlimmer als die davor! Bis zwölf Uhr nachts am Kreischen und Umherrennen!!
… Auf dem Weg nach Jerusalem hielten wir noch in Zippori, ebenfalls eine Ausgrabungsstätte. Von dort aus konnte man Haifa sehen. Das erste Mal wurde einem bewusst, wie dicht alles beieinander liegt. Mittlerweile konnten wir den Orten Bilder und Erlebnisse zuordnen, das war ein schönes Gefühl. Die Fahrt nach Jerusalem über Tel Aviv bedeutete wieder einige Minuten Stau, letztendlich ging es dann doch recht schnell und wir kamen bei den Schwestern in Jerusalem (gerade noch pünktlich zum Abendessen) an.
Letzter Tag! Ab auf die Stadtmauer. Wir konnten zwar nicht den ganzen Weg vom Jaffa- bis zum Löwen-Tor laufen, das war aber nicht so schlimm. Es war toll, die Dächer der Häuser von oben zu betrachten und auf der anderen Seite über die Stadtmauer zu lugen. Am Damaskus-Tor war high life. Auf dem Weg in die Souks bestaunten wir interessante arabische Graffitis, lauschten dem Gesang der Muezzine und genossen die warmen Sonnenstrahlen auf unserer Haut. Den Tag verbrachten wir damit, durch die Gassen zu schlendern und Souvenirs, Andenken oder Gewürze zu kaufen. Natürlich haben wir uns auch das eine oder andere Mal verlaufen und verloren, zum Glück aber auch wiedergefunden.
Am Abend waren wir von den Borromäerschwestern zu einer Feier eingeladen, Schwester Gabriela wurde eingekleidet. Die Zeremonie soll sehr schön gewesen sein und das Festmahl bei Wein und netter Gesellschaft war der perfekte Abschluss für unsere Reise. Gegen 22 Uhr war unser Gepäck im Bus verstaut und wir machten uns auf den Weg nach Tel Aviv. Die Fahrt verging sehr schnell, der Großteil der Besatzung war sowieso am Schlafen. Beim Beit Immanuel-Gästehaus angekommen, haben wir die große Reisegruppe mit Karin und Jakob angetroffen und konnten noch gemeinsam die letzten Stunden in einer schönen Bar am Rande von Jaffa verbringen.
Heimreise! Um halb eins in der Nacht ging es dann ab zum Flughafen. Die Autoabgabe war wie erwartet sehr unkompliziert und der Check-in mit den Sicherheitskontrollen verlief auch reibungslos. Die Sicherheitsbefragung war, den Erzählungen vorheriger Erfahrungen nach, komisch. Um drei Uhr nachts saßen wir dann praktisch vor unserem Gate und schlugen uns die letzten zwei Stunden mit Kaffeetrinken und Postkarten schreiben rum. Mit etwas Abschiedsschmerz stiegen wir schlussendlich in das Flugzeug ein, es dauerte aber nur wenige Minuten und wir sanken alle in die Sitze und schliefen ein. …
Die Reise war einfach unglaublich toll, beeindruckend, spaßig, interessant und abwechslungsreich. Auch auf diesem Wege möchten wir uns nochmal bei Karin, Jörg und Tine bedanken, die sich so viel Mühe gegeben und organisiert haben. Besonders natürlich bei Jörg, der uns die ganze Zeit durchs Land gefahren hat und immer genau wusste, welcher Weg zu gehen ist.
Isabel Lange und Jan-Laurin Struve
Im Namen der Gebietsleitung und der ganzen Gemeinde bedanken wir uns bei Jörg Struve und Kerstin Kloß dafür, dass sie nach so langer Zeit einmal wieder als Reiseleiter eine Jugendreise nach Israel ermöglicht und durchgeführt haben.